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Milliardengewinne durch unfairen Handel

■ Deutschland profitiert von fallenden Rohstoffpreisen der Entwicklungsländer

Osnabrück (taz) — Während sich die wirtschaftlichen Chancen der Dritte-Welt-Staaten auf dem Weltmarkt zunehmend verschlechtern, können die reichen Industrienationen davon kräftig profitieren. Wenn die Bundesrepublik für Importe aus Entwicklungsländern noch heute die realen Preise von 1980 berappen müßte, würden jährlich 25 Milliarden Mark in der deutschen Außenhandelskasse fehlen, rechnete Heinz- Werner Hetmeier auf dem Kongreß „Die Dritte Welt und Wir“ an der Universität Osnabrück vor. Heitmeyer müßte es eigentlich wissen. Er arbeitet im Hauptberuf beim Statistischen Bundesamt in Wiesbaden. Der Experte führt die Krisengewinnlerei der deutschen Wirtschaft auf die vermachteten Rohstoffmärkte und auf den besonders niedrigen Dollarkurs zurück. Allein der niedrigere Ölpreis habe der deutschen Wirtschaft 1991 Exportausgaben in Höhe von 10 Milliarden Mark erspart. Beim Kaffee gebe die koffeinsüchtige Nation 2,6 Milliarden Mark weniger aus. Kein Wunder, denn die Rohstoffpreise haben Anfang 1992 den tiefsten Stand der Nachkriegsgeschichte erreicht.

Die Entwicklungsländer sind auf den Rohstoffmärkten ohnehin in einer relativ schlechten Position, da sich viele ihrer Produkte leicht ersetzen lassen und häufig ein Überangebot besteht. Einerseits müssen die armen Länder unbedingt Devisen für Importe und Schuldendienst erwirtschaften, andererseits können sie häufig auch nicht auf andere Produkte ausweichen. Insgesamt hätten sich die Austauschverhältnisse für die deutsche Wirtschaft seit 1980 um 38 Prozent verbessert.

Die Exporterlöse der Entwicklungsländer fallen, aber der Zinsendienst für die immer noch wachsende Auslandsverschuldung geht weiter. Rund 250 Milliarden Dollar „Entwicklunghilfe“ hätte der Süden dem Norden durch Kapitaltransfers allein von 1982 bis 1988 geleistet, so der Politökonom Elmar Altvater. Dieser Schuldendienst bedeute in vielen Fällen einen Übergang von der Verarmung zur Verelendung. Altvater nicht nur ironisch: „IWF und Weltbank haben den Zusammenbruch des Weltwährungssystems und den drohenden großen Schaden für die kapitalistischen Länder verhindert — eine große Leistung.“ Gerade in Lateinamerika würden aber als Preis große Bevölkerungteile in die Schattenwirtschaft gedrängt. Die terms of trade verschlechterten sich permanent, die Entwicklungsländer müßten mehr exportieren, um ähnlich viele Devisen zu erwirtschaften. Weil aber der Schuldendienst trotzdem weitergehen müsse, würden in diesen Ländern die ökologischen Bestände degradiert, so Altvater.

Herbe Kritik an Weltbank und Internationalen Währungsfond (IWF) übten nicht nur linke Theoretiker wie Altvater. Auch neoklassische konservative Ökonomen wie der Schweizer Urs Egger hielten mit ihrer Enttäuschung nicht hinter dem Berg. „Strukturanpassungsprogramme in Entwicklungsländern ohne den Abbau der Subventionen im Norden sind für die Katz“, so Eggers. Keine gute Note für die Programme von IWF und Weltbank, die die Entwicklungsländer auf Exportkurs getrimmt haben, ohne die Rahmenbedingungen für Exporte in den Norden schaffen zu können.

Auch Clemens van de Sand vom Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit blieb skeptisch. Die Kleinbauern in der Pfalz und der Eifel seien eine bessere Lobby „als ein paar hundert Eine-Welt- Gruppen“, berichtete der Beamte aus der Bonner Praxis. Die Entwicklungshilfe sei nur ein Klacks gegenüber dem an anderer Stelle stattfindenden Ressourcentransfer, räumte der Ministerialbeamte ein.

Die versammelten Entwicklungsexperten boten nicht ganz uneigennützig mehr Unterstützung an: Mehr Gutachten und vielleicht auch mehr Kreativität. Von „entwicklungspolitischen Sachverständigengruppen“ war die Rede, an einem Osnabrücker Memorandum „Verantwortung für die eine Welt“ wurde gestrickt. Allein dem Ministerium war an solcher Verbesserung der Lobbyarbeit offensichtlich nur bedingt gelegen. Jedenfalls verweigerten die Bonner eine Mitfinanzierung der Tagung in Osnabrück. Hermann-Josef Tenhagen

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