Maastricht-Zeitplan nicht einzuhalten

FDP-Chef Lambsdorff kritisiert Maastricht/ Sozialdemokraten fordern mehr Rechte für Bundestag/ Bündnis 90/Grüne: Europäische Union darf nicht scheitern  ■ Aus Bonn Hans-Martin Tillack

Bonn (taz) — Aus den Reihen der Regierungsparteien gab es gestern im Bundestag auch ungewöhnlich kritische Worte zum Maastrichter Vertrag. FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff kündigte zwar an, seine Fraktion werde der Ratifizierung des vorliegenden Vertrags zustimmen, forderte aber „Nachbesserungen“. Lambsdorff bemängelte den „völlig unzulänglichen Sanktionskatalog“ für den Fall, daß einzelne Mitgliedsstaaten der geplanten Währungsunion die Stabilitätskriterien verletzen. Für den Weg in die Währungsunion dürfe es keine „zeitlich eingebauten Automatismen“ geben. Der Bundestag müsse vor dem Eintritt in die dritte Stufe der Union seine Zustimmung geben. Jetzt schon sei klar, so Lambsdorff, daß der Zeitplan nicht mehr eingehalten werden könne.

Die europapolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Heidemarie Wieczorek-Zeul, bekräftigte das Ja ihrer Partei zur Ratifizierung, verlangte aber ein „Rechtsstellungsgesetz“, das die Bundesregierung verpflichten müsse, den Bundestag rechtzeitig vor Entscheidungen im EG-Ministerrat zu informieren und bei „zentralen Fragen“ die Abstimmung im Bundestag abzuwarten. Die SPD-Abgeordnete befürwortet für Maastricht einen Volksentscheid. Wieczorek-Zeul kritisierte die deutsche Hochzinspolitik als „Sprengsatz für die europäische Einheit“. Auch warf sie den Regierungsparteien vor, wer von der rechtsextremen Gewalt bedrohten Ausländern „nicht in aller Entschiedenheit beisteht, ist ein schlechter Europäer, und wenn er 1.000mal Konrad Adenauer zitiert“.

Ungewohnt positiv zu Maastricht äußerten sich die Redner von Bündnis 90/Grüne. Ihr parlamentarischer Geschäftsführer Werner Schulz sagte, der Vertrag führe zwar zu einer weiteren Aushöhlung der Demokratie. Ein Scheitern von Maastricht würde aber auch die bisherigen Integrationsergebnisse in Frage stellen. Zum Weg der europäischen Integration gebe es keine Alternative.