: Taschengeld für Eigenwerbung
Der Senatsrockwettbewerb »Rock News« ist tot, es lebe der Nicht-Wettbewerb »Metrobeat« Mit neuen Strategien will die Rockbeauftragte Rock- und Popbands fördern ■ Von Thomas Winkler
Hat Ihnen etwas gefehlt in letzter Zeit? Etwas, das man liebgewonnen hatte, aber an das man sich schon so gewöhnt hatte, daß einem das Verschwinden auch nicht weiter auffiel? Des Rätsels Lösung ist: Diesen Herbst findet der altvertraute Senatsrockwettbewerb nicht statt. Das Kindchen hieß »Rock News«, es wurde nur zwölf Jahre alt. Nicht mal die Pubertät ließ man es durchleiden, als es die ersten Pickel bekam, wurde es auch schon zu Grabe getragen.
Im vorigen Jahr wurde der Senatsrockwettbewerb »Rock News« so heftig wie nie vorher kritisiert. Vor allem das vollständige Fehlen der zu der Zeit prosperierenden Berliner Dance-Szene stieß unangenehm auf. Die Konzerte waren meist von weniger als hundert Interessierten besucht, und die aus JournalistInnen, VeranstalterInnen und MusikerInnen zusammengesetzte Jury hatte aufgrund — ihrer Meinung nach — mangelnder Qualität weniger Bands in die Endausscheidung geschickt, als eigentlich möglich gewesen wäre. Alle Beteiligten waren sich einig, daß der Wettbewerb in seiner bisherigen Form nicht weiterbestehen sollte, und auf dem »1. Berliner Rockforum« im Februar dieses Jahres wurden allerlei Vorschläge gemacht, wie die freiwerdenden 100.000 Mark denn am sinnvollsten zu verwenden wären. Die Vorschläge reichten von massenhaften, über die ganze Stadt verteilten Konzerten bis zu einem Büro, das den Musikern praktische Überlebenshilfe in Geschäftsfragen leisten sollte. Einzig der Senat hielt an einer sogenannten »öffentlichen Präsentations-Plattform mit Außenwirkung« fest, die der Rockwettbewerb gewesen sein soll. Barbara Esser, die Leiterin des Referats für freie Gruppen im Kultursenat, im Volksmund auch Rockbeauftragte geheißen, schwor daraufhin im Laufe des Jahres diverse Interessenvertretungen auf ihre Linie ein.
Das noch in der Wiege strampelnde Kleine wurde auf einer Pressekonferenz am Mittwoch von Kultursenator Roloff-Momin höchstselbst vorgestellt. »Metrobeat« soll es heißen und wird veranstaltet vom Berliner Band Syndikat, der Musikszene e.V., dem Nord Ost Rock e.V., allesamt Musiker-Interessen-Vertretungen, dem Franz-Club und natürlich dem Senat. Am 22. und 23. Januar sollen im Franz und im Kesselhaus der Kulturbrauerei zwanzig Berliner Bands auftreten. Sie bekommen im Gegensatz zu früher keine Geldpreise, sondern statt dessen eine Gage für den Auftritt, die Möglichkeit, auf Senatskosten fünf Tage in ein Studio zu gehen und die Option auf die Förderung einer Tournee — eine Form, die der Senat bisher auch schon praktizierte. Tourneeförderung und Studiotage können natürlich nicht Bands in Anspruch nehmen, die bereits lukrative Plattenverträge haben.
Die Beteiligung der Tanzmusikschaffenden hofft man durch den Verzicht auf das Wörtchen »Rock« im Namen und den alle Möglichkeiten bietenden Veranstaltungsort zu sichern. Sollten sich genügend einschlägige Acts qualifizieren, wäre ein thematischer Abend denkbar. Nicht ganz klar aber wurde, warum denn nun ausgerechnet nächstes Jahr mehr Menschen einen Wettbewerb, der nicht mehr so heißen darf, sehen wollen, wenn das im letzten Jahr schon niemanden interessierte?
Aber im Gegensatz zu Rock News soll Metrobeat kein Wettbewerb sein. Sieger soll es nicht mehr geben, aber der Knackpunkt bleibt natürlich weiterhin die Auswahl der zwanzig Glücklichen aus schätzungsweise 1.500 Berliner Projekten. Die Jury ist abgeschafft, statt dessen soll eine möglichst breite Umfrage in der Stadt vonstatten gehen. Dieser Poll ist zweigeteilt: Jedermann und jedefrau kann formlos eine Karte an den Kultursenator (Europa-Center, 1000 Berlin 30) schicken und auf ihr die fünf Berliner Bands angeben, die es seiner/ihrer Meinung nach verdient hätten. Damit »der Manipulation nicht Tür und Tor geöffnet wird« (Roloff-Momin), werden zusätzlich ungefähr hundert Journalisten, Veranstalter und Plattenläden angeschrieben, die ebenfalls ihre Wertung abgeben mögen. Dies brachte wieder einmal die empfindlichen Musiker-Seelen aus der Fassung. So flatterte pünktlich zur Pressekonferenz eine Mitteilung des Musik-Szene e.V. auf die Tische, die bekanntgab, sich nicht wie geplant als Mitveranstalter betätigen zu wollen, weil sie sich von der Entscheidungsfindung ausgeschlossen fühlen und meinen, daß ihnen die Sachkenntnis abgesprochen würde. Es scheint in der Stadt ein weitverbreitetes Leiden zu sein, daß Musiker glauben, sie könnten über sich selbst am besten urteilen. Schon früher war es beliebte Sitte, der Jury jegliche Qualifizierung abzusprechen und sie als einen Haufen Alkoholiker zu schmähen, wenn sie die eigene Band nicht der Aufnahme für wert befunden hatten. Demnächst wird dann wahrscheinlich das Publikum zum Bösewicht erklärt. Damit sich das kreative Völkchen trotzdem einbringen kann, wird ein »Rockmusikbeirat« geschaffen werden, der in der Majorität aus Musikanten besteht und schon demnächst der Senatsverwaltung in allen Fragen hilfreich zur Seite stehen soll.
Der verwaltungstechnische Aufwand mutiert also langsam zum Irrsinn, vor allem wenn man bedenkt, um wieviel Geld es eigentlich geht. Es begann 1979 mit 300.000 Mark, 1992 flossen 750.000 Mark in die Rockförderung. Eine »ganz erkleckliche Steigerung«, wie Roloff-Momin meint, doch im Vergleich zu anderen Kulturbereichen halt nur ein Taschengeld. Der Kultursenator verkündete deshalb auch ein kämpferisches: »Es reicht mir noch nicht«, aber muß sich dann doch fragen lassen, warum der Senat einen großen Teil des wenigen Geldes ausgerechnet in ein Projekt steckt, das hauptsächlich der Eigenwerbung Berlins dient, aber die Situation der hier lebenden Musiker um kaum einen Deut verbessert.
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