piwik no script img

Die Reise im klapprigen Autobus

■ Josep Pla (1897—1981): Katalanische Impressionen - alltäglich und subtil

Welcher Deutsche war noch nicht an der Costa Brava, in Lloret de Mar, Tossa de Mar, Blanes, Sant Feliu de Guixols und wie die Orte heißen? Doch welcher Urlauber hat mehr gesehen als Hotel, Strand, allenfalls noch, im Rahmen eines Tagesausflugs, Barcelona und Montserrat? Und wer weiß schon, daß diese herrlichen Gegenden in Katalonien liegen? Für unsereinen ist das Spanien und damit basta. Eigentlich schade, wenn man bedenkt, wieviel kulturelle Eigenständigkeit sich hinter dem Namen Katalonien verbirgt. Schade auch, daß so viele Urlauber so wenig über ihr Gastland wissen.

Der Schönbach-Verlag, Hannover/Basel, bietet mit dem Buch „Die Autobusreise. Katalanische Impressionen“ von Josep Pla Gelegenheit, nicht nur die ausgetretenen Pfade des Touristenrummels in den Strandorten zu verlassen, um auch einen Blick ins Landesinnere des Baix Empordà zu werfen, sondern auch einen Einblick in das Leben, Denken und Fühlen der selbstbewußten Katalanen zu gewinnen.

Allein schon die Geschichte des Buches ist ein Teil der besonderen Lebensumstände Kataloniens: Obwohl der Autor mit Recht als „Klassiker der katalanischen Literatur des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet wird, mußte er dieses Tagebuch über eine Reise durch seine Heimat 1942 in spanischer Sprache veröffentlichen, weil die Franco-Diktatur den Gebrauch des Katalanischen verbot.

Ein „Tagebuch“ ist eigentlich das gesamte 33.000 Druckseiten umfassende Werk, das Josep Pla in seinem langen Journalistenleben als Korrespondent verschiedener barcelonesischen Tageszeitungen und Zeitschriften in zahlreichen Ländern Europas und als Reisender durch die entlegensten Winkel seines geliebten Kataloniens geschaffen hat. Dabei kommt es ihm weniger auf die genaue kalendarische Chronologie an als auf die Verarbeitung von Impressionen aus dem Alltag, die Historie der kleinen Leute, wie sie sich letztlich sogar im scheinbar Banalsten niederschlägt. Und eben dies ist auch der Inhalt der „Autobusreise“: die Kleinigkeiten des katalanischen Alltags im Baix Empordà.

Das Buch besteht aus 43 Einzelkapiteln, die fragmentarisch den Verlauf einer mehrtägigen Reise in klapprigen Linienbussen von einem Dorf zum anderen schildern.

Die Reise beginnt in einem Dorf an der Costa Brava mit dem Besteigen eines Busses, „der innen tapeziert ist wie zu meiner Studentenzeit die etwas unseriösen Häuser“. Sie endet in Barcelona, wo der Erzähler bei einem Pilzgericht wieder einmal seiner Lieblingsbeschäftigung nachgeht — dem Nachdenken über die Zeit, ihre Wirkung, ihre Unerbittlichkeit, aber auch über die richtige Zeit für die richtigen Genüsse: „Man muß die Pilze aber in der richtigen, ihnen angemessenen Jahreszeit essen: Wenn das Jahr zur Neige geht (...) wenn am Horizont ein leichter Nebel schwebt und das goldene Licht die feuchte Landschaft in eine sanfte, kaum spürbare Melancholie hüllt.“

„Die Autobusreise“ ist ein Buch, das gerade die Interessierteren unter den Costa-Brava-Urlaubern — übrigens stammt der erste Reiseführer, den es über diese Küste gab, ebenfalls von Josep Pla — zur Hand nehmen sollten, bevor sie das nächste Mal Palamós, Platja d'Aro oder Cadaqués buchen. Nicht etwa, um sich bildungsbeflissen über die interessanten Kulturdenkmäler zu informieren, die es in dieser herrlichen Gegend in so großer Fülle gibt — das kann man in jedem Reiseführer nachlesen —, sondern um ihre Gastgeber kennenzulernen.

Plas Werk ist ein Paradebeispiel für die in der Literatur der Iberischen Halbinsel heimische Schule des costumbrismo, der Milieu- und Sittenschilderung. In seinen stets subtilen Betrachtungen wechseln sich distanzierte Ironie und elegische Resignation über die bisweilen an Verwüstung grenzenden Veränderungen ab, die alles um ihn herum mit der Zeit, aber nicht immer unbedingt wegen der Zeit, erfährt. Mit Büchern wie „El Carrer Estret“ (Die Enge Gasse), „Coses Vistes“ (Gesehenes) oder „Rússia“ (Rußland), um nur einige zu nennen, harren noch weitere interessante Werke Josep Plas der Übersetzung.

Welche Bedeutung man ihm in seiner Heimat beimißt, wird vielleicht daran deutlich, daß die Landesregierung, Generalidad, anläßlich der letztjährigen Buchmesse in Frankfurt ein Bühnenstück über Josep Pla, „Jetzt, wo die Mandeln geerntet sind“, als katalanischen Beitrag zum Rahmenprogramm beisteuerte. Volker Glab

Josep Pla: „Die Autobusreise.

Katalanische Impressionen“. Aus dem Spanischen von Magdalena Rauch, Schönbach-Verlag, Hannover/Basel 1991, 229 S., 32 DM

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen