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Die Emma Peels von Sachsen

Der sächsischen Polizei mangelt es nicht an Nachwuchs/ Mehr als ein Drittel der über 700 Polizei-Azubis in Sachsen sind Frauen/ Ein Besuch in der Polizeischule  ■ Von Nana Brink

Das Mädchen ist ganz schön kess. Die blonden Locken modisch zum Zopf gezwirbelt, sitzt Katrin Mielke ihrem Ausbilder gegenüber — gerade, die Arme locker auf der Lehne, kein bißchen unsicher, wie es scheint. Nein, sie fühle sich nicht benachteiligt, meint die 19jährige, sie habe schon immer „ihren Mann gestanden“, warum nicht also auch hier auf der Polizeischule. Und die ganzen „kleinen Sonny Crockets“ unter ihren männlichen Mitschülern könnten sie wenig beeindrucken. Ihr Ausbilder lächelt anerkennend — Präsentation bestanden.

Für einen kurzen Moment wird Katrin ein bißchen verlegen, und in dem hübschen Teenagergesicht mit den großen blauen Augen und der Stupsnase zieht eine leichte Röte auf. Aber sie hat sich im Griff, so wie man es von ihr erwartet, später einmal draußen im Einsatz.

In kurzen Sätzen, die keinen Widerspruch zu dulden scheinen, erklärt sie ihrem Gegenüber, was er von ihr zu halten hat als künftiger Polizeibeamtin des Freistaates Sachsen: „Ich habe einen Auftrag zu erfüllen, und der steht im Gesetz geschrieben, und das Gesetz finde ich gut.“ Punkt. Schlau, wie sie ist, fügt sie aber noch hinzu: „Aber wie das dann draußen im Einsatz ist, wird bestimmt spannend.“

Wie das „Draußen im Einsatz“ sein könnte, sehen die künftigen BeamtInnen-AnwärterInnen, die auf dem Gelände der Bereitschaftspolizei-Direktion in Leipzig ihre Ausbildung absolvieren, meistens im Fernsehen. Aber Rostock ist weit und die Welt auf dem ehemaligen Areal der kasernierten Volkspolizei noch hübsch geordnet, mit acht Stunden Schüler-Alltag. Die tristen Kasernenblöcke, die bisweilen noch Fassadenmalerei a la „Kampf für die Völkerfreundschaft“ zieren, beherbergen knapp ein Drittel der derzeit 727 sächsischen Polizei-Auszubildenden.

Der Pressesprecher der Bepo- Direktion, Bert Lange, ist ganz besonders stolz auf „seine Mädels“. Die Frauen stellen mit 203 Auszubildenden fast ein Drittel, mehr als in jedem anderen Bundesland. Überhaupt, berichtet der smarte „PR-Beamte“, müsse man sich über den Nachwuchs keine Sorgen machen. „Wir können auswählen, und das ist ja wohl wichtig bei dem angeschlagenen Image der Polizei in diesem Land.“ Um jeglichem Verdacht gleich vorzubeugen, führt er die Statistik im Munde, die nur „junge Menschen zwischen 17 und 35 mit abgeschlossener Schul- und Berufsausbildung“ ausweise — sicherlich seien die meisten BewerberInnen arbeitslos.

„Aber wir rekrutieren da nicht einfach wild aus dem Heer der Arbeitslosen, wir profitieren, so eigenartig das klingt, eben von der momentanen wirtschaftlichen Lage“, meint der Pressesprecher. Und: Bislang habe die Gauck-Behörde noch keine Bewerbungsunterlagen mit dem Vermerk „positiv“ zurückgeschickt. „Wir stellen nur saubere Leute ein“, versichert Bert Lange.

Fragt man Katrin und ihre Zimmergenossinnen, was sie einmal werden möchten, kommt unisono die Antwort: Kriminalpolizei oder Führerin der Hundestaffel oder Mitglied der Reiterstaffel. Die Emma Peels von Zimmer 96 sind selbstbewußte junge Frauen. Seit einem Jahr bereiten sie sich auf den mittleren Polizeidienst vor, und bevor sie ihre Träume weiterspinnen können, laufen sie als frischgebackene Polizeihauptkommissarinnen durch den normalen Streifendienst. Aber noch drücken sie die Schulbank, büffeln Verkehrs-, Straf- und Zivilrecht — „die sind schon besser als ihre Ausbilder“, gibt Bert Lange zu, „die müssen nicht umdenken“ — und absolvieren die obligate Kampfsport- und Schießausbildung.

Katrin Mielke: „Spannender als im Frisörladen“

Katrin findet die Ausbildung „ganz schön spannend“, viel besser, als in „irgendeinem Frisörladen oder einer Bank“ zu lernen. Wie bei vielen anderen spielte der familiäre Hintergrund eine nicht unwichtige Rolle bei der Bewerbung.

Der Vater, ehemals bei der Transportpolizei und jetzt beim Bundesgrenzschutz untergekommen, versprach einen krisensicheren Job. „Die Uniform hat mich schon immer gereizt. Man ist ja dann doch irgendwie eine Respektsperson, gerade auch als Frau.“ Außerdem vermisse sie doch „so eine gewisse Ordnung“, wie früher bei der FDJ — „da war man eben zusammen, und jeder wußte, wo es langgeht“.

Wenn sie dies so frank und frei heraussprudelt, bekommt das Wort „Ordnung“, das sie gern im Teenagermund führt, bei Katrin Mielke einen ganz selbstverständlichen Klang. Natürlich weine sie der vergangenen Ordnung des Honecker-Staats keine Träne nach — „damit wir uns da richtig verstehen“ — aber eines scheint ihr, die früher unbedingt Panzerfahrerin bei der NVA werden wollte, doch gleich geblieben: „Straftat bleibt Straftat.“ Das seit der Wende 1989 angekratzte Image der hiesigen Polizei scheint Katrin nicht zu stören: „Das wird sich schon ändern, die schreien doch jetzt alle nach der Polizei, daß nicht mehr so viel passiert“, meint sie.

Vom Kuhstall in der LPG zum Polizeirevier

Während die meisten männlichen Azubis ehemals industrielle Berufe erlernt hatten, kommen die neuen Polizeischülerinnen häufig aus der Landwirtschaft. Für ihre „neue Aufgabe“ mußte Katrin keinen Job aufgeben. Als Tierwirtin arbeitete sie in einer großen Melkerei. Die ehemalige LPG stand vor der Pleite, und die pfiffige 19jährige zog gleich die Konsequenz. „Ich habe gar nicht erst gewartet, bis die mich rausgeschmissen haben.“ Die Annonce der Polizei in einer lokalen Zeitung verhieß für Katrin „was ganz Interessantes“: „Der Freistaat Sachsen wartet schon dringend auf Sie. Meist sind es die Kollegen in den Ballungsräumen Dresden, Chemnitz und Leipzig, die Verstärkung brauchen“.

So voll die Polizeischulen im Freistaat Sachsen derzeit sind, bei der Schutz- und Bereitschaftspolizei — 1.467 BeamtInnen — herrscht die chronische Unterbesetzung. Die Besetzung der beiden Leipziger Bereitschaftspolizei- Hundertschaften ist nur zu zwei Dritteln gewährleistet, weshalb der Bundesgrenzschutz regelmäßig bei Fußballspielen in Leipzig zu Gange geholt werden muß. Ein Zustand der „Überfremdung“, wie Bert Lange sich ausdrückt. „Wir würden bei entsprechender Mannschaft schon fertig mit dem Problem.“ Über 1.200 neue PolizeibeamtInnen will Sachsens Innenminister Heinz Eggert (CDU) deshalb noch dieses Jahr einstellen. „Dieser Beruf hat Zukunft“, verspricht die Annonce. Katrin Mielke glaubt daran. Schon jetzt, während der Ausbildung, steht sie mit rund 1.000 Mark und als Beamtin auf Widerruf auf der Gehaltsliste des Freistaates Sachsen.

Die Ausbildung: Ein ganz normaler „Abenteuerspielplatz“

Kommt das Wort Angst im Ausbildungsplan vor? Angst davor, bei Krawallen nach Fußballspielen oder bei Anschlägen auf Asylbewerberheime in die Schußlinie zu geraten; Angst bei der Vorstellung, nachts eine Leiche in einem Keller „zu bearbeiten“, wie ihr Ausbilder in schillernden Farben von seinem ersten Einsatzerlebnis berichtet? „Irgendwie kann ich mir das noch gar nicht vorstellen.“ Die Angst verdrängt Katrin.

Momentan ist eine Art „Abenteuerspielplatz“ angesagt. Wer nimmt am schnellsten die Makarow auseinander, wer flitzt am schnellsten nach den Pfiffen des Lehrers im grünen Kampfanzug über die Hürden, und wer legt am schnellsten „den Gegner“ um.

„Im Ernstfall drücke ich ab“

Katrin Mielke und ihre Freundin geben beim einstudierten Handgemenge eher ein Bild aus „Jugend trainiert für Olympia“ ab. Wenn Katrin dann über „ihre Waffe“ redet, eine Makarow oder Kalaschnikow, hört sich das an wie nach einer Überdosis der Fernsehsendung „Miami Vice“. Toll, „wenn's knallt“. „Hat das nicht so was Faszinierendes“? Und wenn die Knarre „draußen im Einsatz“ am Halfter baumelt? „Im Ernstfall drücke ich ab“, sagt Katrin Mielke, ohne zu zögern, „deshalb lerne ich das doch hier, oder?“

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