: Riesenhubers Kartoffelkampf
Der Forschungsminister will das Gentechnikgesetz entschärfen/ Industrie soll nicht abwandern/ Koalition will auch EG-Recht lockern ■ Aus Bonn Hans-Martin Tillack
Die Drohungen der chemischen Industrie, ihre gentechnische Forschung und Produktion ins Ausland zu verlegen, zeigen jetzt Wirkung in Bonn. Forschungsminister Heinz Riesenhuber (CDU) will, wie er gestern sagte, das erst vor zwei Jahren beschlossene Gentechnik-Gesetz noch vor 1994 entschärfen. CDU/CSU, FDP und Teile der SPD unterstützen diese Forderung und wollen zu diesem Zweck auch die einschlägigen EG- Richtlinien industriefreundlicher gestalten. Riesenhuber verwies darauf, daß die USA ihre Bestimmungen bereits dereguliert habe.
Beim Vollzug des geltenden Gesetzes habe sich gezeigt, daß die Genehmigungsverfahren zu langwierig seien. CDU/CSU und FDP wollen deshalb künftig in den niedrigen Sicherheitsstufen eins und zwei die Genehmigungspflicht ganz oder teilweise durch eine Anzeigepflicht ersetzen. Der internationale Austausch gentechnisch veränderter Organismen für die Forschung müsse von der Genehmigungspflicht ganz ausgenommen werden, heißt es in einem Antrag der Regierungsparteien.
Riesenhuber verlangte gestern auch energische Schritte, um die Freisetzung genmanipulierter Pflanzen zu erleichtern, die in Deutschland bisher nur zwei mal stattgefunden hat. Bei weltweit bisher 500 Freisetzungen habe sich „an keiner Stelle irgendeine Gefährdung“ gezeigt. Gefördert werden müsse die gentechnische Herstellung neuer Pflanzen. Auch die gentechnische Produktion von Humaninsulin will Riesenhuber erleichtern. Eingriffe in die menschliche Keimzelle sollten verboten bleiben, die Gentherapie am Menschen jedoch erlaubt werden.
Als Beispiel für im Labor bereits getestete Pflanzen, deren Freisetzung aber noch ausstehe, nannte er Kartoffeln mit veränderter Stärkezusammensetzung, die als Rohstoff für Klebstoffe und Schmiermittel dienen könnten, außerdem Kartoffeln, die gegen Bakterienbefall resistent seien, und Knollen, die zehn bis 30 Prozent größer und daher einfacher zu verarbeiten seien.
Die SPD, die einer Novellierung im Bundesrat zustimmen müßte, ist zumindest bereit, über eine „Entbürokratisierung“ in der Sicherheitsstufe eins mit sich reden zu lassen. Der Vorsitzende des Forschungsausschusses des Bundestages, Wolf-Dieter Catenhusen (SPD), wehrte sich gestern aber gegen Absichten, bei einer Freisetzung die Öffentlichkeitsbeteiligung auszuschalten. Man dürfe nicht „die Axt an das EG-Recht legen“ und die Deregulierung soweit wie in den USA treiben, sagte der SPD-Abgeordnete zur taz. Auch im Umweltministerium plädiert man für Vorsicht. Das EG-Recht erlaube durchaus Erleichterungen.
Anfang August hatte die EG- Kommission der Bundesregierung eine Mängelrüge zugestellt, nach der das deutsche Gentechnikgesetz in 14 Punkten von den EG- Richtlinien abweicht. So hat es Bonn unterlassen, die Betreiber gentechnischer Anlagen zu verpflichten, Notfallpläne aufzustellen und die Behörden über Störfälle zu unterrichten. Inspektionen und Kontrollen zur Einhaltung der Bestimmungen sehe das Gesetz ebenfalls nicht vor.
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