: Marlboro-Livestyle statt Bastrockhüpfen
■ Podiumsdikussion „Geraubte Erinnerung“ im Überseemuseum: Über die Rückgabe von Kulturgütern an die Herkunftsländer
die traurige
frau
Viola König, Leiterin des Übersee-MuseumsFoto: J.O.
Heute vor 500 Jahren landete Columbus' Flotte an der Küste Amerikas und setzte damit das Datum für den Beginn der großen wirtschaftlichen und kulturellen Ausbeutung Lateinamerikas. Dieser Jahrestag war am Sonntag im Überseemuseum der Anlaß für eine Podiumsdiskussion zur Frage der Rückführung von Kulturgütern an die entsprechenden Herkunftsländer.
Die Diskussion der sieben Fachleute zeigte, daß von konkreten Rückgabeplänen noch lange nicht die Rede sein kann. Jedenfalls dann nicht, wenn es um Kulturgüter der „Dritten Welt“ geht. Und schon gar nicht, was die Sammlung des Überseemuseums selbst angeht.
„Es ist eine zwiespältige Angelegenheit, die Rückgabe geliebter 'Adoptivkinder' an ihre rechtmäßigen Eltern organisieren zu müssen“, sagte Viola König, Leiterin des Überseemuseums, die zugleich einräumen mußte, daß niemand einen rechten Überblick über die „Adoptivkinder“ im provisorischen Museums-Magazin habe.
Ähnliche Dilemmata taten sich auch in der theoretischen Diskussion auf. Zwar stimmten alle Beteiligten der Forderung von „medico international“, vertreten durch Thomas Gebauer, zu, daß die Völker aus den soge
Kulturgüter, verschollen im Magazin des Übersee-Museums?Foto: Jörg Oberheide
nannten Entwicklungsländern das Recht hätten, „Subjekte ihrer Geschichte“ zu werden, indem ihnen eine freie Verfügung über „geraubte“ Kulturgegenstände und historische Dokumente ermöglicht werden müsse. An seiner Warung davor, den Ländern der „Dritten Welt“ einen europäisch geprägten Kulturbegriff überzustülpen, schieden sich aber die Geister.
„Wir haben eine Schuld abzutragen und müssen sehr vorsichtig sein“, so Gebauer. „Museen sind eine europäische Leidenschaft.“
Gerd Schwandner aus der Behörde für Kultur und Ausländerintegration schien diese Bemerkung gerade recht zu sein: „Vielleicht wollen die gar nicht ihre Baströckchen wiederhaben, sondern lieber den Marlboro-Livestyle“. Aus jeder zurückgegebenen Sammlung stecke „der Europäer seinen Kopf heraus“ ergänzte Viola König.
Klare Stellung für ein europäisches Hilfsprogramm bezog da
hier der Buddha
hinter
geröllhaufen
gegen Dieter Wildung, Ägyptologe aus Berlin: „Gerade weil wir das Know-how haben, tragen wir eine große Verantwortung.“ Auch der Frankfurter Ethnologe Kramer bestand darauf, daß angemessene Bedingungen für eine sinnvolle KulturgüterRückgabe von europäischen Museen aus geschaffen werden müßten: „Allerdings“, so Kramer, „dürfen wir unser Wohlstandsmodell nicht weltweit übertragen. Die westliche Vorherrschaft hat sich angesichts der ökologischen Weltsituation relativiert. Es geht um einen echten Dialog“.
Vorläufig wird von Bremen aus noch nicht viel geschehen (wenn man von der Rückgabe deutscher Kunst, die „kriegsbedingterweise“ in russischen Archiven lagert und deren Rückkehr der Bremer Osteuropaforscher Wolfgang Eichwede betreibt, absieht). „Erstmal müssen wir unser Magazin sortieren“, meinte Viola König, „und dann können Forderungen auf Rückgabe kommen.“ C. Kurth
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