Gleichstellung: Knirschen bei der Umsetzung

■ Nach zwei Jahren Gleichstellungsgesetz eine nüchterne Bilanz: Frauenbeauftragte klagen über Überlastung

Klagestunde in der Bremer Bürgerschaft: „Seit eineinhalb Jahren kämpfe ich als Pionierin für Frauenrechte, in dieser Zeit habe ich 400 Überstunden angesammelt“, berichtet die Frauenbeauftragte der Bremer Hochschule. Ihre Kollegin von der Arbeiterkammer ergänzt: „Als Rechtsberaterin kämpfe ich Jahr für Jahr für die Ansprüche von Tausenden von Menschen, aber ich schaffe es nicht, meine eigenen Rechte als Frauenbeauftragte durchzusetzen.“ Nach zwei Jahren Bremer Gleichstellungsgesetz trafen sich die rund 150 Bremer Frauenbeauftragten im Hohen Haus und trugen ihre Erfahrungen zusammen: Überstunden gehören für die meisten von ihnen zum Gleichstellungsalltag; den Willen, Frauen tatsächlich zu fördern, ließen die meisten Herren und auch einige Frauen vermissen. Von 120 Dienststellen in der öffentlichen Verwaltung hat bislang eine einzige einen Frauenförderplan verabschiedet, berichtet Maria Spieker, die Vorsitzende des parlamentarischen Gleichstellungsausschusses. Und auch im eigenen Hause fühlt sich der Ausschuß sabotiert: Die Bewirtung für die gestrige Anhörung wollte der Präsident der Bürgerschaft nicht übernehmen.

Bekanntlich sind alle Menschen gleich, aber manche eben gleicher als andere. Um auch Frauen gleicher zu machen, verabschiedete das Land Bremen vor zwei Jahren ein Gleichstellungsgesetz. Das „bundesweit fortschrittlichste“, berichtet Maria Spieker, weil es nicht nur bestimmte Quoten vorschrieb, sondern auch eine Frist, innerhalb der diese Quoten umzusetzen seien. Das Arbeitsgericht hat sich hinter die gesetzliche Frauenförderung gestellt, als ein Gartenbauingenieur als „Quotenopfer“ versuchte, sich eine Stelle einzuklagen.

Doch aus der Praxis erzählen die Frauenbeauftragten von harten Einzelkämpfen: Zwar schreibt das Gesetz fest, daß Frauenbeauftragte für ihre besonderen Aufgaben von ihren sonstigen Tätigkeiten freizustellen seien, doch in der Praxis müsse jede Frau selbst die Zeit für Frauenbelange freischaufeln, berichtet Ruth Böke, die Frauenbeauftragte des St-Jürgen-Krankenhauses. Nur wenige Frauen stoßen bei ihren Dienstherren auf Verständnis, wenn sie ihre Überstunden korrekt aufschreiben und abrechnen. Denn — so die Frauenbeauftragten — die gesetzlich vorgeschriebene Freistellung werde durch eine Koalitionsvereinbarung hinterrücks zunichte gemacht, die „haushaltsneutrale Lösungen“ vorschreibt. „Man kann nicht ein Gesetz erlassen und hinterher sagen, wir machen das aber kostenneutral“, beschwert sich eine Frauenbeauftragte. Auch den Männern müsse klar werden, daß Frauenförderung Geld kostet.

Helga Müller, Frauenbeauftragte im Bremerhavener Finanzamt, hat beobachtet: „Frauen werden zur Zeit abqualifiziert. Die, die noch keine gute Beurteilung haben, bekommen sie auch nicht mehr.“ In ihrem Amt seien die Bewerbungen von Mädchen für den mittleren Dienst zurückgeschickt worden, ohne daß die Frauenbeauftragte sie zu Gesicht bekommen hatte.

Kritik übten die Frauenbeauftragten daran, wie die Behörden mit ihren Widerspruchsverfahren umgingen. Innerhalb einer Woche müssen die Frauen begründen, warum sie mit einer Stellenbesetzung so nicht einverstanden sind. Doch für die Dienststelle gibt es keine Frist, innerhalb der sie den Widerspruch beantworten muß. Die SPD-Abgeordnete Barbara Klepper: „Obwohl wir bundesweit das fortschrittlichste Gleichstellungsgesetz haben, knirscht es gewaltig bei der Umsetzung.“ dir