: Bahn vor der Pleite
■ Eigenkapital Ende 93 aufgebraucht
Berlin (taz) - Schon Ende 1993 soll das Eigenkapital der Bundesbahn aufgezehrt und die Kreditwürdigkeit verloren sein - wenn nicht der Bund die Bahn-Schulden übernimmt. Gestern suchten Beamte von Bahn, Verkehrs- und Finanzministerium nach Möglichkeiten, die bevorstehende Pleite abzuwehren. „Die Lage war uns bisher nicht bekannt“, hieß es im Finanzministerium.
Bei der Bahn und im Verkehrsministerium weiß man hingegen schon länger über die Finanzmisere Bescheid: Im Güterverkehr gingen weitere Marktanteile an die Speditionen verloren; durch die Konjunkturschwäche bei Massentransportgütern Kohle und Stahl werden zum Jahresende rund 600 Millionen Mark in der Kasse fehlen. Schon vor zwei Wochen hatte Bahnchef Heinz Dürr erklärt, daß die Verluste ein bis zwei Milliarden Mark höher ausfallen werden, als noch im Mai prognostiziert. Wie hoch aber das Eigenkapital gegenwärtig noch ist, konnte gestern weder bei der Bahn noch im Ministerium jemand mit Bestimmtheit sagen. Das Anlagevermögen wird auf rund 60 Milliarden Mark geschätzt; die Schulden sind auf rund 55 Milliarden angewachsen.
Die neue Hiobsbotschaft hat denn wohl auch den Sinn, bei der für die Bahnreform notwendigen Grundgesetzänderung aufs Tempo zu drücken. Für die Grundgesetzänderung ist aber die Zustimmung der SPD nötig. Albrecht Müller, der für die Sozialdemokraten im Verkehrsausschuß des Bundestages sitzt, hat die Bedingungen seiner Partei bereits genannt: Die Schienen dürfen nicht privatisiert werden, bereits im nächsten Haushalt soll eine Umverteilung vom Straßenbau hin zur Bahninfrastruktur stattfinden, ein seriöses Entschuldungskonzept müsse vorliegen und eine „saubere Lösung der Mitarbeiterfrage“ gefunden werden. Annette Jensen
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