piwik no script img

Björn einsam unter Wölfen

■ Asyl, Artikel 16: CDU und FDP unterstützen Engholm gegen seine eigene Partei

Bonn (taz/dpa) — Die Nervosität in der Führungsspitze der SPD steigt. Fünf Wochen vor dem Sonderparteitag in Bonn wird immer deutlicher, daß Parteichef Engholm seiner Basis nicht sicher sein kann. Hätten die Landes- und Bezirksparteitage, die über die Frage einer Grundgesetzänderung bisher abgestimmt haben, für die Delegierten in Bonn bindende Wirkung, wäre Engholm mit dem Vorhaben einer Änderung des Grundgesetz-Artikels 16 bereits gescheitert.

Eine Umfrage der Presseagentur dpa in allen SPD-Bezirken ergab gestern, daß sich daran kaum noch etwas ändern wird: Engholm hat für seine „Petersberger Empfehlungen“ in der Partei keine Mehrheit. Nun wird hinter den Kulissen versucht, noch einen Kompromiß zu basteln. Vertraute von Engholm drängen vor allem den früheren Parteivorsitzenden Hans-Jochen Vogel, der bislang eine Grundgesetzänderung ablehnt, sich rechtzeitig für einen Ausgleich zwischen Basis und Parteispitze zu engagieren.

Zweifelhafte Schützenhilfe erhielt Engholm gestern von CDU-Generalsekretär Peter Hintze, welcher der SPD „Wirklichkeitsverweigerung“ vorwarf. Wenn jeden Tag „Tausende Scheinasylanten“ (Hintze) nach Deutschland kämen und durch das bloße Aussprechen des Wortes „Asyl“ Bleiberecht erlangten, sei es unbegreiflich, daß die SPD statt dessen „abstrakte Diskussionen über das Individualgrundrecht auf Asyl führt“.

Die CSU schlägt härtere Töne an. Mit einer Kampagne gegen die VerteidigerInnen des Artikels 16 macht sie in Bayern Stimmung, wo am Wochenende eine erste Anzeige der Münchner CSU erschien: Unter der Überschrift „Die ewig Gestrigen“ wird der Bevölkerung kundgetan, welche PolitikerInnen gegen eine Grundgesetzänderung sind; es folgt die Frage: „Ist Ihr Volksvertreter dabei? Dann sollten Sie sich das merken bis zur nächsten Wahl.“ Aus dem „Rückfall“ der SPD, so CSU-Parteichef Theo Waigel, könne „eine Gefahr für Demokratie und Staat entstehen“.

Die Bonner Koalitionsparteien CDU, CSU und FDP wollen nach den Worten des FDP-Vorsitzenden Otto Graf Lambsdorff versuchen, bis Dienstag mittag doch noch eine gemeinsame Entschließung zur Änderung des Asyl-Artikels 16 im Grundgesetz zu formulieren. Lambsdorff bestätigte am Montag vor JournalistInnen in Bonn, daß sich eine Expertengruppe der Koalitionsparteien bisher nicht hat einigen können. Am Dienstag würden sich die SpitzenpolitikerInnen der Koalition mit dem Problem befassen.

Lambsdorff erklärte, die FDP stehe zu ihrem Ziel, noch diese Woche die Asyl- Entschließung im Bundestag zu fassen. Er warnte aber davor, „durch eine zu weitgehende Formulierung der SPD auf ihrem Sonderparteitag Mitte November den von ihrem Vorsitzenden Björn Engholm vorgegebenen Schwenk unnötig zu erschweren“.

Es könne nicht im Interesse der Koalition und der Bundesregierung liegen, dazu beizutragen, daß die Initiative Engholms untergehe, denn dann werde es keine Zweidrittelmehrheit für die angestrebte Verfassungsänderung geben. Seiten 3 und 10

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen