: Furchtloser Sammler
■ Eine Ausstellung im Barlach-Haus zeigt die Sammlung von Hermann F. Reemtsma, der während des Faschismus "entartete" Kunst sammelte
, der während des Faschismus „entartete“ Kunst sammelte
Wanderer im herbstlichen Jenischpark sollten die Ausstellung nicht versäumen, mit der zur Zeit das Ernst-Barlach-Haus aufwartet. Hermann Fürchtegott Reemtsma, Stifter des Ernst-Barlach-Hauses, dessen Eröffnung 1962 er nicht mehr miterlebte, wäre in diesem Monat 100 geworden. Aus diesem Anlaß wird erstmalig die bedeutende Künstler des 19. und 20. Jahrhunderts umfassende Sammlung des Industriellen als Ganze gezeigt.
Das Engagement des Sammlers galt insbesondere den Skulpturen Ernst Barlachs, die heute zur ständigen Sammlung des Hauses gehören und nun im Kontext der gesamten Kollektion zu betrachten sind. Hermann Fürchtegott, Onkel des heutigen Erben und Sponsoren Jan Philipp Reemtsma, sammelte nicht nach kunsthistorischen Gesichtspunkten, sondern nach eigenem Bekunden, um „Kunstwerke, die mich persönlich berühren, in meinen Lebensbereich zu holen“.
Diese Subjektivität ist positiv spürbar. Kunstwerke, „die ihn angehen“, das konnten sowohl die süßlichen und idealisierenden biblischen Darstellungen des Nazareners Julius Schnoor von Carolsfeld aus dem 19. Jahrhundert sein als auch Kohlezeichnungen von Käthe Kollwitz vom Elend des Krieges und der Arbeiter. Daneben hängen in der vielseitigen Ausstellung aber unter anderem auch Bilder von Modersohn-Becker, Delacroix, Menzel und Marées.
Der Hauptverdienst des Sammlers Hermann F. Reemtsma liegt darin, daß er während des Faschismus begann, Werke verfolgter Künstler zu sammeln und sie dem Zugriff der Nazis entzog. 1941 kaufte er das Gemälde des 1935 verstorbenen Max Liebermann „Ostfriesische Bauern beim Tischgebet“, zu dem sich in den 50er Jahren noch weitere Liebermann- Werke gesellten.
Einige Künstler unterstützte Reemtsma auch mit praktischen Maßnahmen: Barlach, dessen denkende und fühlende Menschen darstellendes Werk die Nazis „entartet“ fanden, gab er ab 1934 Aufträge wie den Skulpturen-Zyklus „Fries der Lauschenden“. Für Zeichnungen von Käthe Kollwitz akzeptierte er, wie er 1939 in einem Brief begründete, sogar überhöhte Preise, „in der Annahme, daß mit deren Erlös in erster Linie Frau Kollwitz eine wirksame Hilfe zuteil wird“.
Julia Mummenhoff
Ernst-Barlach-Haus im Jenisch Park, bis 3.1.1993, Di-So 11-18 Uhr
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