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„Humane“ Bärenjagd in Washington Von Andrea Böhm

Es gibt jetzt Bären in Washington. Und deshalb auch Bärenstaus. Soll heißen: Es stauen sich nicht die Bären, sondern die Autofahrer, wenn sie einen sehen. Um Mißverständnissen vorzubeugen — es laufen keine Grizzlies im Weißen Haus oder auf dem Kapitol herum. Was eigentlich schade ist, denn sie würden den öden Alltag ungemein beleben.

Die Bären sind nicht nach Washington, sondern Washington ist zu den Bären gekommen. Das „Office of Management and Budget“ hat nach der letzten Volkszählung kurzerhand das Einzugsgebiet der Stadt erweitert. Jetzt gehören plötzlich Berge dazu, Kühe, Hirsche — und eben Bären. Nun sind Amerikaner bekanntermaßen nicht nur begeisterte Waffenbesitzer, sondern auch passionierte Jäger. Der Beginn der Jagdsaison läßt sich für Pazifisten und Vegetarier immer daran erkennen, daß die Kinder mit scheußlichen neonfarbenen Kappen auf dem Kopf zur Schule geschickt werden. Den Vätern, Onkeln und großen Brüdern, die unterdessen auf der Lauer liegen, hat man vorher eingeprägt, daß Hirsche und Rehe keine Neonkappen tragen.

Was Bären anbelangt, so hat man sich zumindest in und um Washington sowie im benachbarten Virginia zu einer konsequenteren Haltung entschlossen: Es darf überhaupt nicht geschossen werden. Um dem Jagdtrieb der männlichen Bevölkerung wenigstens ein kleines Ventil zu lassen, haben sich Naturschutzbehörden und Jagdsportverbände auf einen Kompromiß eingelassen. Es darf zwar nicht geschossen, aber gehetzt werden.

Das sieht so aus: Mister Smith oder Mister Miller lassen ihre Jagdhunde los, die einen Bären duch den Wald scheuchen, ihn einkreisen und „fixieren“, bis Herrchen sie wieder an die Leine nimmt. Der Schwarzbär darf dann seiner Wege gehen. Manchmal kommt Herrchen nicht schnell genug hinterher, obwohl er seine treuen Freunde mit Funkhalsbändern ausgestattet hat. Dann sind ein oder zwei Hunde zerfetzt und das Funkgerät kaputt. Dem Bären erklärt ja keiner, daß es sich hier nur um ein hochzivilisiertes Freizeitvergnügen unausgelasteter Hobbymohikaner handelt.

Die Anhänger dieser Sportart, die sich zum Beispiel in der Hundehalter- und Sporthund-Vereinigung zusammengeschlossen haben, halten das für das ideale Auslauftraining für ihre Vierbeiner. „Eine Höflichkeit dem Tier gegenüber“, wie es Tom Evans, einer ihrer Sprecher, formulierte. Womit er auch den Bär meint. Der sieht das anders, zumal ihm außer funkenden Hunden noch ein anderer zivilisatorischer Fortschritt zum Verhängnis wird: die Autostraße samt Pkw, Wohnmobilen, Motorrädern und Jeeps, die während der pfundigen Hatz seinen Fluchtweg kreuzen. Naturschützer stellen fest, daß sie seit Einführung der humanen Jagd immer mehr tote Bären am Straßenrand finden. Jetzt wird überlegt, nach dem Jagen mit der Flinte auch die Hetzerei mit Hunden zu verbieten — im Interesse der Hunde und der Bären.

Um die armen Schweine von Jägern kümmert sich mal wieder keiner. Wenigstens ein Umschulungsprogramm könnte man ihnen anbieten. Im städtischen Schwimmbad Goldfische harpunieren — mit Gummipfeilen.

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