Schweres Erdbeben in Kairo

■ Tote und Verletzte vor allem in den Armenvierteln

Kairo (taz) — Der Suan, eine Art Trauerzelt, in dem die Verwandten der Toten die Kondolenz entgegennehmen, wird wohl in den nächsten Tagen weite Teile des Straßenbildes von Kairo bestimmen. 400 Menschen sollen nach Angaben der ägyptischen Regierung bisher bei dem Erdbeben am Montag umgekommen sein. Rund viertausend Menschen wurden verletzt.

Als am Montag kurz nach 15 Uhr ein einminütiger Erdstoß der Stärke 5.8 auf der Richterskala die ägyptische Hauptstadt erschütterte, brach eine Panik aus. Es war wahrscheinlich der einzige Augenblick in der Geschichte Kairos, in dem alle 15 Millionen EinwohnerInnen gleichzeitig auf die Straße liefen. Die Straßen waren verstopft. Die Telefone funktionierten nicht. Viele brachten Verletzte im eigenen Auto ins Krankenhaus. Die Ambulanzen der Krankenhäuser blieben einfach im Verkehr stecken. Einige Krankenhäuser gerieten durch die Notaufnahmen völlig außer Kontrolle. Die Universitätsklinik wurde inzwischen von der Polizei abgeriegelt. Viele Menschen suchten aus Angst vor Nachbeben Plätze und breite Straßen auf. In den ersten drei Stunden war über die offiziellen Medien keine Meldung zum Beben zu hören. Erst in den Sechs-Uhr-Nachrichten sprach die Regierung von 20 Toten. Seither mußte diese Zahl fast stündlich nach oben korrigiert werden.

Besonders in den armen Vierteln im Süden Kairos sind viele Häuser eingestürzt. Doch auch im vornehmen Heliopolis fiel ein 15stöckiges Hochhaus zusammen. 182 Häuser sind nach Angaben der Tageszeitung Al-Ahram entweder ganz zusammengebrochen oder ernsthaft beschädigt worden. Grund ist oft die schlechte Bausubstanz der Häuser. Erst vor wenigen Wochen ist ein siebenstöckiges Haus ohne jeden äußeren Einfluß zusammengebrochen. Solche schweren Unfälle infolge der Verwendung von schlechtem Baumaterial haben in Kairo seit den siebziger Jahren Tradition.

Ministerpräsident Atef Sidqi hat den Opfern sofortige Hilfe versprochen. Jede Familie, die einen Toten zu beklagen hat, soll umgerechnet 250 Mark erhalten, jeder ernstlich Verletzte 100 Mark. Außerdem will die Regierung 1.100 Wohnungen für die Obdachlosen zur Verfügung stellen. In Kuwait arbeitende Ägypter haben inzwischen Sammlungen für die Opfer organisiert. Die saudische und die israelische Regierung boten Kairo finanzielle Hilfe an. Karim El-Gawhary