: Sysiphos plaudert
■ Der Drehbuchautor, Cutter und Theaterregisseur Albrecht Joseph hatte viele Freunde und wenig Glück
Albrecht Joseph lernte während seines langen Lebens Thomas Mann, Gerhart Hauptmann, Franz Werfel, Fritz Lang und Marlene Dietrich kennen. Zu seinen engsten Freunden zählte Carl Zuckmayer.
Joseph war in vielen Berufen zu Hause, dem des Theaterregisseurs, des Drehbuchautors, des Übersetzers. Aber trotz vielfältiger Begabungen und bester Verbindungen verfehlte er den ganz großen Wurf immer um Haaresbreite. Er hatte lange darauf hingearbeitet, einmal beim Film Regie zu führen. Auch dieser Plan scheiterte.
Seine Frau, Anna Mahler, war die Tochter von Alma Mahler- Werfel. Als sie ihn nach fast vierzigjährigem Zusammenleben verließ, war Joseph vierundachtzig.
Seine Sysiphos-Geschichte erzählt Albrecht Joseph in der Autobiographie „Ein Tisch bei Romanoffs“. Er, der aus Frankfurt stammende Jude, leistet sich an der Seite anderer Emigranten den Platz im Nobelrestaurant in Hollywood nicht aus Snobismus.
Am Tisch bei Romanoffs nimmt der ewige Verlierer Platz aus Sehnsucht nach dem Glanz der großen Welt: „Das war purer Luxus, aber wir hatten so lange im Schatten gelebt, daß uns dieser Unfug Spaß machte. Ich dachte, wenn mich jemand fragte, wie weit ich es in Hollywood gebracht hätte, könnte ich sagen, daß ich jederzeit einen Tisch bei Romanoffs bekommen könnte.“
Gebracht hat er es in Hollywood bis zum Cutter der Serie „Rauchende Colts“. Seine ersten Schritte hatte Joseph als Regisseur im deutschen expressionistischen Theater getan, bei Fritz Strich über Barocklyrik promoviert, später eng mit Zuckmayer, Mann und Werfel zusammengearbeitet.
Aus dem Nähkästchen dieses seltsamen Lebens plaudert der Autor lakonisch, eigenwillig, respektlos. Charakteristisch die Tonlage von Selbstironie und leiser Resignation, irritierend eine eigentümliche, müde Distanz zur eigenen Person. Vielleicht liegt hierin der Schlüssel zum „Nie-ganz-Gelingen“, das, in seinen eigenen Worten, „typisch war für meine Existenz“. Diese Lebensgeschichte, nicht ohne Witz aufgeblättert, steckt voller traurig-komischer Pointen.
Ihm, der zwar mittendrin, aber eigentlich unentwegt im falschen Film ist, wünscht man am Ende endlich einmal einen, wenigstens einen ganz kleinen Erfolg. Doch das Happy-End bleibt aus.
Zuletzt hoffte er auf die Veröffentlichung seiner Erinnerungen. Kurz zuvor, im vergangenen Jahr, starb Albrecht Joseph in Los Angeles, vier Monate, bevor das Buch erschien. Marion Löhndorf
Albrecht Joseph: „Ein Tisch bei Romanoffs. Erinnerungen“. Juni Verlag, Mönchengladbach 1991, 246Seiten, 26Mark.
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