: Vergewaltigungen im Knast: Leiter wollte Opfer schützen
■ Prozeß um Ex-Santa-Fu-Chef Wolfgang Sarodnick ohne Rechtsgrundlage
ohne Rechtsgrundlage?
Der Prozeß gegen den Ex-Santa- Fu-Chef Wolfgang Sarodnick entbehrt jeder Rechtsgrundlage. Diese Auffassung vertrat gestern zu Beginn des Amtsgerichts-Verfahrens gegen den 53jährigen Psychologen dessen Verteidiger Wolf-Dieter Reinhard. Die Anklage wirft dem früheren Gefängnisleiter Strafvereitelung im Amt vor, da er Vergewaltigungen von Mitarbeiterinnen nicht angezeigt habe. Reinhard beantragte für seinen Mandanten vor der Beweisaufnahme „Freispruch“ oder die Aussetzung des Verfahren. Sarodnick: „Ich fühle mich nicht schuldig, weil ich eine Fürsorgepflicht für meine Mitarbeiterinnen hatte.“
Die Vorgeschichte: Alfred Banz verbüßt seit 1974 in Santa Fu eine lebenslange Freiheitstrafe, weil er mehrere Frauen vergewaltigt und eine Prostituierte ermordet hat. Zunächst galt er als Musterhäftling. Zwischen 1982 und 1984 aber überfiel er mindestens vier Abteilungsleiterinnnen oder Anstaltspädagoginnen in seiner Zellle oder der Knastbibliothek, würgte oder vergewaltigte sie und zwang sie zu perversen sexuellen Handlungen. Die Betroffenen vertrauten sich Wolfgang Sarodnick an, baten ihn jedoch — aus Scham oder Angst vor beruflichen Nachteilen — die Vorkomnisse nicht zu melden. Erst nachdem Sarodnick 1989 die Anstalt verlassen hatte, wurden die Vorfälle publik.
Verteidiger Reinhard argumentiert, daß Sarodnick damals für die Einhaltung der Strafvollzugsvorgaben verantwortlich gewesen sei, es jedoch nicht seine Aufgabe gewesen sei, in der Strafverfolgung tätig zu werden. Reinhard: „Ein Anstaltsleiter ist kein Garant auf dem Gebiet der Strafverfolgung.“ Diese Auffassung werde von der Rechtswissenschaft geteilt. „Für diese Position kann ich Ihnen eine ganze Bibliothek an Rechtsliteratur hinstellen, für eine abweichende gibt es nicht einmal eine Handvoll Bücher.“ Auch Hamburgs Generalstaatsanwalt Arno Weinert teile diese Haltung.
Zudem prangert Reinhard das Procedere an, weil die Schutzrechte der vergewaltigten Zeuginnen in eklanter Weise verletzt würden. Da der Prozeß gegen Banz wegen der Überlastung der Gerichte erst in einigen Jahren beginnen kann, müsse nun das Amtsgericht eine umfassende Sachaufklärung auch zu den Vergewaltigungen vornehmen, obwohl es dazu eigentlich gar nicht zuständig sei. Dadurch würden die Frauen unnötigerweise mehrfach zur Schilderung der Vorgänge gezwungen. Und: Es könnte der groteske Fall eintreten, daß Sarodnick wegen Strafvereitelung verurteilt werde, Banz jedoch vom Landgericht wegen dieser Sexualstraftaten freigesprochen werde.
Doch Staatsanwalt Martin Köhnke möchte mit dem Kopf durch die Wand: Es gelte, den „Skandal von Fuhlsbüttel“ aufzuklären, und Sarodnick solle froh sein, daß man ihm nicht zusammen mit Banz den Prozeß gemacht habe. Köhnke zynisch: „Wir haben davon Abstand genommen, Banz und Sarodnick auf eine Anklagebank zu setzen.“ Und auch Amtsrichter Nils Graue zeigt sich gegenüber den Verteidgigerargumenten verschlossen. Er sehe derzeit keine
1Notwendigkeit, den Prozeß bis zur Verurteilung von Banz auszusetzen.
Sarodnick wird allerdings keine Angaben machen: „Ich fühle mich meinem Wort dem Opfer gegen-
1über verpflichtet. Ich war damals befugt, zum Schutz der Opfer und auf Wunsch der Opfer gegen die Meldepflicht der Aufsichtsbehörde zu verstoßen.“ Kai von Appen
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