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„Es gibt keinen Riesenknatsch“

■ Interview mit FDP-Senator Claus Jäger über seine Position zum Drogenstrich

taz: Der FDP-Kreisverband Mitte/West hat gestern die Entscheidung zum Straßenstrich als Versuch bezeichnet, „einen aktiven und leistungsfähigen Senator auf SPD-Maß zurückzuschneiden.“ Auch Sie haben gegen den van Nispen-Vorschlag gestimmt. Fühlen Sie sich von der Kritik getroffen?

Nein. Die Einschätzung teile ich nicht. Der Senat hat sich nach Vortrag des Innensenators und aufgrund einer Tischvorlage für die zweite von zwei Alternativen entschieden. Diese Alternative bestand darin, den Drogenstrich aktiv zu bekämpfen. Gegen die andere Lösung sprach aus meiner Sicht, daß niemand eine Garantie dafür gibt, daß ein Verlagerungsansatz wirklich erfolgreich ist und angenommen wird.

Der Innensenator gibt aber die Garantie, daß das, was jetzt beschlossen worden ist, nicht greift.

Van Nispen äußert Bedenken, ob man die Problematik ohne Verlagerung beherrschen kann. Aber er hat ausdrücklich auch diese Alternative angeboten. Lassen Sie mich aber an dieser Stelle einmal ganz klar sagen: Es gibt absolut keinen Streit zwischen van Nispen und mir.

Ich habe immer Bedenken, ob der Staat überhaupt ein solches Handeln, das strafrechtlich und unter dem Gesichtspunkt von Gesundheitsvorsorge überhaupt nicht hinnehmbar ist, tolerieren kann. Und das nimmt auch der Innensenator mir nicht übel.

Und das zweite ist: Eine Alternative muß doch mit hinreichender Sicherheit den Eindruck vermitteln, daß das greift. Und das kann niemand. Es ist nicht sicher, ob die drogenabhängigen Frauen das annehmen, und es ist nicht sicher, ob die Freier das mitmachen. Da wird etwas angeboten mit einer Schleuse in eine Sackgasse. Die Freier werden gesehen. Das soll ja auch einen Abschreckungseffekt haben. Wenn die das nicht wollen, dann besteht die Gefahr, daß sich der Drogenstrich unkontrolliert weiterverlagern wird. Ich war im Senat in der Situation, daß ich von der Konzeption nicht hundertprozentig überzeugt war. Sind Sie denn von der Konzeption einer reinen Zerschlagung 100 Prozent überzeugt?

Nein, aber ich möchte mal jemanden hören, der von einer Lösung für den Drogenstrich 100 Prozent überzeugt sein kann. Wenn diese Unklarheit über den Erfolg besteht, dann muß man zumindest das dringendste Problem angehen. Und das heißt, die Verhältnisse im Viertel zu verändern. Und darin waren sich im Senat alle einig.

Die Dramatik ist aber jetzt da.

Die Dramatik ist reingekommen, weil manche, die davon berichtet haben, eine andere Auffassung haben, als die des Senats. Deshalb vermuten Sie da vielleicht einen Riesenknatsch. Das ist aber völlig abwegig.

Die Sondersitzung des Koalitionsauschusses haben nicht wir beantragt.

Die Grünen haben den Koalitionsausschuß einberufen lassen. Das können sie natürlich. Aber der Senat hat eine Entscheidung getroffen. Wenn die Grünen eine erneute Behandlung im Senat wünschen, dann können ihre Senatoren das ja in der nächsten Sitzung beantragen. Da wird man sehen, ob das eine Mehrheit findet.

Ich bin der Meinung, es gibt für die Mitglieder des Senats keinerlei Veranlassung, wie Hühner ohne Kopf herumzulaufen.

Ist die Koalition in Gefahr?

Das wäre doch ein Witz der Geschichte. Wir haben uns im Senat sehr ernsthaft mit dem Thema befaßt. Alle haben gesagt: Es gibt keine 100prozentige Lösung. Die Reakiton bei einigen — übrigens nicht bei Mitgliedern des Senats — kann ich nur als völlig überzogen bezeichnen. Fragen: Holger Bruns-Kösters

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