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Die Parteipolitikerin hinter sich gelassen

■ Die Präsidentin der Humboldt-Universität hat die Erwartungen nicht enttäuscht

Berlin. Sehr kommunikativ sei sie, aber sie wahre die Distanz ihres Amtes. Die Zusammenarbeit mit ihr sei angenehm, sie sei bemüht, sich erst ein genaues Bild von der Situation und den Schwierigkeiten an der Humboldt-Uniuersität zu machen, ehe sie Entscheidungen treffe: Viel Lob erntet Marlis Dürkop, die erste Präsidentin der Humboldt-Universität, nach den ersten hundert Tagen ihrer Amtszeit.

Die Hoffnungen, die bei der Wahl im Juli in sie gesetzt wurden, hat sie nicht enttäuscht. Vor allem erwarteten ihre Wähler, die ihr den Vorzug gegenüber Peter Glotz (SPD) gaben, daß sie sich bei der inneruniversitären Erneuerung sensibel für die Probleme und Befindlichkeiten der ostdeutschen Humboldt-Angehörigen zeige. Genau dies scheint sie zu leisten. Auf die Frage, ob sie sich von anderen Westimporten an der HUB unterscheide, antwortet ein Studentenvertreter mit einem klaren: Ja. Vor allem habe sie – im Unterschied zu vielen neu berufenen Westprofessoren – die Fähigkeit zuzuhören, bevor sie sich eine Meinung bilde.

Zudem ist sie mit weniger Anspruchsdenken an die Humboldt- Universität gegangen: Während die neu berufenen Westprofessoren meistens erst einmal um Arbeitsräume und Ausstattung feilschen, war es für sie nach der Amtsübernahme kein vordringliches Anliegen, den alten DDR- Charme aus ihrem Präsidialbüro zu vertreiben. Erst wenn der ganze Trakt renoviert wird, will sie auch ihr Amtszimmer renovieren lassen. Marlis Dürkop ist ihrerseits angetan vom Verhältnis der „Alt- Humboldtianer“ zu ihrer Institution. Sie schätzt, daß bei ihnen – anders als im Westen üblich – nicht die Mentalität vorherrsche, sich bei der Institution nach Kräften zu bedienen. Das kollegiale Klima ist in ihren Augen wesentlich besser als im Westen.

Erfolgreicher als ihre Vorgänger setzt sie sich für die Humboldt- Interessen beim Wissenschaftssenator ein. So ist der umstrittene Senatsbeschluß, die Elektrotechnik an der HUB einzustellen, ohne den positiv evaluierten Dozenten aus dem Fachbereich eine Übernahme durch die TU zu ermöglichen, ins Wanken geraten. Wissenschaftssenator Erhardt argwöhnt denn auch, daß Marlis Dürkop sich zu sehr den Humboldt-Interessen – und denen der alten Humboldtianer – verpflichtet fühle.

Vor ihrer Wahl hatte sich die ehemalige Fachhochschulrektorin als AL-Vertreterin im Berliner Abgeordnetenhaus mit Erhardt auseinandergesetzt. Wer allerdings erwartet hatte, daß sie ihre politischen Vorstellungen unverändert vom Abgeordnetenhaus ins Präsidialamt Unter den Linden mitnehmen würde, sah sich getäuscht. Als AL-Parlamentarierin hatte sie noch große Vorbehalte gegen den vom Senat geplanten Technologiepark in Adlershof. Als Humboldt-Präsidentin befürwortet sie das Projekt – wobei sie in der Universität keineswegs ungeteilte Zustimmung dafür erhält. Für die Präsidentin Dürkop ist vor allem wichtig, mit der Auslagerung der Naturwissenschaften nach Adlershof die heiklen universitären Raumprobleme im Stadtzentrum zu lösen. Sie sieht aber auch in der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft in Adlershof eine Chance für die Universität – im Unterschied zur früher herrschenden Lehre in der AL, die vor allem die Unabhängigkeit der universitären Forschung gefährdet sah, wenn die Privatwirtschaft in die Universität hineingeholt wird. Marlis Dürkop wischt in ihrer neuen Funktion dieses Problem nicht vom Tisch, aber sie stellt die Bedenken eher hintan: „Sie ist halt nicht mehr AL-Politikerin, sondern Präsidentin“, kommentiert ein Humboldt-Angehöriger augenzwinkernd, da habe sie abzuwägen zwischen politischen Überzeugungen und den Interessen ihrer Universität. Winfried Sträter

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