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Rüstungslobby schielt nach Exportmärkten

■ Europas Waffenindustrie will Handel in Dritte-Welt-Länder forcieren

Brüssel (IPS/taz) – Europas Rüstungsproduzenten kämpfen um neue Märkte. Die seit dem Ende der Ost-West-Konfrontation in eine tiefe Rezession geratenen Waffenschmieden hoffen vor allem auf den florierenden Waffenhandel mit Staaten der Dritten Welt. Dies geht aus einer Studie hervor, die der Ausschuß für Auswärtige Beziehungen des Europaparlaments in Auftrag gegeben hatte. Der Bericht warnt zudem die EG-Regierungen davor, Entwicklungsländern Finanzhilfe zukommen zu lassen, die damit Waffen kaufen wollen.

Die Rüstungsindustrie Europas hat derzeit nicht nur mit einer 40prozentigen Überproduktion zu kämpfen. Zwischen 300.000 und 500.000 Beschäftigte müssen laut dem Bericht damit rechnen, ihre Arbeit zu verlieren. Bis Ende 1991, so hatte das Internationale Friedensforschungsinstitut SIPRI errechnet, wurden bereits rund 300.000 Arbeitsplätze abgebaut. Der einst durch staatliche Aufträge florierende Wirtschaftszweig beschäftigt derzeit noch rund 1,2 Millionen Arbeitnehmer. In der Vergangenheit wurde der EG- Markt zu 80 Prozent von drei Ländern beherrscht: Großbritannien (16 Mrd. Ecu), Frankreich (14,5 Mrd.) und Deutschland (8 Mrd.).

Laut der EG-Studie böten sich der Waffenindustrie derzeit zwei Wege, aus diesem Dilemma herauszukommen: die Umstellung des Wirtschaftszweiges auf die Produktion ziviler Güter, oder aber ein verstärkter Export in die Dritte Welt. Glyn Ford, Mitglied des Ausschusses und verantwortlich für den Bericht, ist jedoch davon überzeugt, daß die europäischen Waffenschmieden zur Ausweitung ihres Handels mit der Dritten Welt tendieren – und dies ungeachtet der Tatsache, daß eine EG-Resolution im letzten Monat forderte, die Suche nach neuen Waffenexportmärkten einzustellen. Die Rüstungsindustrie hat, so der Bericht, vor allem Taiwan, Südkorea, Singapur, Thailand, Malaysia, Indonesien, die Philippinen und Brunei anvisiert – Länder also, die ihre Rüstungsetats bereits deutlich aufgestockt haben. Militärexperten zufolge sind die Beziehungen zwischen manchen dieser Staaten schon heute gespannt: Liegen Malaysia und Indonesien im Streit um einige Inseln nördlich des indonesischen Borneos, so sind die Spratly-Inseln im Südchinesischen Meer, die von China, Vietnam, den Philippinen und Malaysia beansprucht werden. es

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