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Mäßiges Niveau, dafür schön laut

■ Der Bundestag diskutierte den Asyl- Entschließungsantrag der Bundesregierung

Bonn (taz) – Die Debatte war heftig, das Niveau mäßig. Nach knapp zweistündiger Diskussion beschloß der Bundestag gestern mit 364 Stimmen den Entschließungsantrag der Regierungsparteien zur Asylpolitik. Erstmals fand sich damit eine förmliche parlamentarische Mehrheit für die Änderung des Grundrechtsparagraphen 16 „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“. 24 Abgeordnete stimmten mit Nein; neben den Abgeordneten des Bündnis 90/Die Grünen und der PDS/LL votierte auch der Berliner Liberale Wolfgang Lüder dagegen. Die SPD nahm an der namentlichen Abstimmung nicht teil. Sie wertete den Versuch, vor dem SPD-Parteitag im November eine Position der Fraktion zu erzwingen, als „taktisches Manöver“, an dem sie sich nicht beteiligen wolle.

Der Entschließungsantrag, der nach mehreren vergeblichen Anläufen erst am vergangenen Dienstag in einer Koalitionsrunde beim Kanzler zustandegekommen war, hält fest, daß der Artikel 16 geändert werden soll. Politisch Verfolgte im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention sollen weiterhin Asyl erhalten, für andere Zuwanderer sollen jedoch nur noch verkürzte Verfahren möglich sein, denen eine schnelle Abschiebung folgen kann. In der Bundestagsdebatte wurde erneut deutlich, daß über wichtige Passagen dieser Vereinbarung Interpretationsunterschiede zwischen den Parteien bestehen. Die FDP stellte ihrerseits heraus, daß das einklagbare Individualrecht erhalten bleibt. Die FDP-Abgeordneten Burkhard Hirsch und Gerhard Baum meinten in einer vor der Sitzung verbreiteten Erklärung sogar, daß es nicht darum ginge, das Grundrecht durch die Konvention zu ersetzen. „Das individuelle Grundrecht ... wird nicht abgeschafft.“ Fraktionschef Solms spricht dagegen nicht mehr von einem Individualgrundrecht.

Für die CSU, die bereits am Dienstag mit weiteren Forderungen nachsatteln wollte, wiederholte Landesgruppenchef Wolfgang Bötsch, daß die Rechtsmittel in den verkürzten Verfahren auf einen Beschwerdeausschuß beschränkt werden sollten, die richterliche Entscheidung also entfallen solle. Der Entschließungsantrag ist in dieser Frage nicht eindeutig.

„Schäbig und demagogisch“ nannte Konrad Weiss vom Bündnis 90/Die Grünen den Antrag. Für seine heftige Kritik handelte er sich eine Belehrung des Otto Graf Lamsdorff ein, der Weiss nicht nur aus der Gemeinschaft der Parlamentarier, sondern gleich aus der aller anständigen Menschen exkommunizierte. Ebenso scharf attackierte Ingrid Matthäus-Maier (SPD) den Abgeordneten Wolfgang Ullmann (Bündnis 90/Die Grünen). Ein anderer SPD-Abgeordneter bemerkte immerhin, es gäbe Sozialdemokraten, die Ullmann richtig verstanden hätten. Ullmann fühlte sich dadurch, daß das Parlament zu einer Verfassungsänderung aufruft, ohne deren genauen Wortlaut zu nennen, an ein anderes deutsches Parlament erinnert. Dieses – die Volkskammer der DDR – habe 1960 beschlossen, alles richtig zu finden, was die macht.

Familienministerin Hannelore Rönsch will indes die Sozialhilfe für Asylbewerber auf 75 Prozent des Regelsatzes kürzen: 381DM für den Haushaltsvorstand einer Familie. Taschengeld soll in Höhe von 75DM gezahlt werden, alles andere in Gutscheinen. tib

Siehe auch Seiten 4 und 10

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