: Todesschiff geistert wieder in Hamburg
■ United States soll womöglich bei Blohm + Voss umgebaut werden / Der stillgelegte Luxusdampfer ist voller Asbest
soll womöglich bei Blohm+Voss umgebaut werden / Der stillgelegte Luxusdampfer ist voller Asbest
Für die Mopo ist sie „das 600- Millionen-Ding“, nach Ansicht der Welt bringt sie für Blohm+Voss „einen Batzen Geld“, sichert Arbeitsplätze für die nächsten zwei Jahre. In Wahrheit ist sie aber für die Malocher der Hamburger Traditionswerft ein mordsgefährlicher Auftrag. Gemeint ist die „United States“. Nach den Plänen des türkischen Reeders Kahraman Sadigkoglu soll der 1952 vom Stapel gelaufene asbestverseuchte Luxusliner im Hamburg umgebaut werden. Der Betriebsrat kündigte gestern an, die Arbeiten auf dem „Asbestpott“ zu verweigern.
Sadigkoglu kaufte im Frühjahr dieses Jahres das 302 Meter lange Schiff, das seit 10 Jahren in Amerika vor Reede liegt, zum Spott- und Schrottpreis von 4,6 Millionen Mark. Da der türkische Reeder das alte Kreuzfahrtschiff wegen der Größe in seiner eigenen Werft nicht umbauen kann, rückte die Hamburger Renommierwerft in sein Blickfeld. Von der Kapazität her wäre sie in der Lage, den alten Pott in einem Jahr zu einem hochmodernen Atlanikliner umzurüsten.
Derartige Pläne sind nicht neu: Schon 1985 bemühte sich der US- Reeder Richard Hedley, das eingemottete Schiff in Deutschland zum modernen Kreuzfahrtschiff aufmotzen zu lassen, weil die US-Werften den Auftrag wegen der Unmengen Asbest im Schiff verweigert hatten. Doch auch die Belegschaft der Bremer Vulkan-Werft gab dem Reeder einen Korb: Die Mehrheit der Arbeiter war nicht bereit, ihr Leben für den Umbau aufs Spiel zu setzen. Denn durch das Rausreißen alter Wände und Aggregate wären Unmengen an Asbest freigesetzt worden, das Anfang 50er Jahre hemmungslos als Feuerisolierung verwendet worden ist.
In gebundener Form ist Asbest relativ ungefährlich. Sind die Fasern jedoch erstmal freigesetzt, wirbeln sie wegen ihres geringen spezifischen Gewichts leicht durch die Luft, setzen sich beim Einatmen in der Lunge fest. Schon wenige der giftigen Teilchen reichen aus, um nach 10 bis 15 Jahren tödliche Asbestose auszulösen.
Auch bei der inzwischen geschlossenen HDW war man 1985 vorstellig geworden. Die Belegschaft war nach langem Tauziehen nur bereit den Umbau zu machen, wenn das Asbest größtenteils auf dem Meer in der Karibik entsorgt worden wäre. Zum Einbau der neuen Maschinen und Umbau der Kabinen sollte das Schiff später im Dock in einen Gipsverband gelegt werden. Durch die völlige Isolierung der Schotten, Bullaugen und Öffnungen sollte während einer „Ruhezeit“ das Absetzen der Asbestfasern erreicht werden, die dann wiederum im Gips gebunden werden sollten. In letzter Minute platzte der „HDW/United-States-700-Millionen-Deal“.
Doch auch das neueste „600-
Millionen-Ding“ steht auf wackeligen Füßen: Blohm+Voss-Sprecherin Nadja Koch: „Wir haben selbst von den Plänen nur aus der Zeitung erfahren. Im Grunde genommen sind noch gar keine Verhandlungen geführt worden.“ Betriebsrat Fritz Fischer: „Uns krausen sich die Nackenhaare, wenn wir an das Asbest denken.“ Nach Angaben des Belegschaftssprechers gibt es eine Betriebsvereinbarung, die Arbeiten aus Asbestschiffen nur zuläßt, wenn diese zuvor von Spezialfirmen entsorgt worden sind.
1Fischer: „Ich halte den türkischen Reeder für einen Träumer, alles für Hirngespinste. Selbst wenn er das machen wollte, dann nicht mit uns.“ Denkbar wäre für Fischer le-
1diglich das HDW-Modell: das Schiff auf dem Meer zu entsorgen und nur die letzten Feinarbeiten noch bei Blohm+Voss zu machen. Kai von Appen
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