: Blicke unter den Zuckerhut
■ Brasilien als Winterreiseziel mit Widersprüchen/ Neue Reiseführer im Vergleich
Brasilien, das ist nicht nur Karneval und Zuckerhut, Tropenwälder und Palmenstrände, wie einen so mancher Reiseführer glauben machen will. Brasilien führt regelmäßig die Weltrangliste als das Land an, in dem Armut und Reichtum am weitesten auseinanderklaffen. Brasilien steht auf Platz sechs der Welthungerliste steht und ist zugleich die zehntgrößte Wirtschaftsnation der Welt ist.
Ein neuer Brasilien-Reiseführer aus der rororo-Reihe „Anders Reisen“ stellt das Land mit seiner Schönheit und seinen Widersprüchen dar. In knapper Form werden die aktuellen Probleme Brasiliens erläutert, etwa die Agrarfrage, die Umweltprobleme oder die Verarmung breiter Bevölkerungsteile. Daneben kommt das kulturelle Leben nicht zu kurz: die Bedeutung des Fußballs und des Fernsehens, Religion, Musik und Tanz.
Auch bei der anschließenden Rundreise durch Brasilien bleiben die neun Autoren nicht bei den touristischen Sehenswürdigkeiten stehen. Sie bringen den Lesern Geschichte, politische, wirtschaftliche und kulturelle Eigenheiten und vor allem die Lebensweise der Menschen in den verschiedenen Orten näher: das Leben in den Favelas, den Elendsvierteln der großen Städte, genauso wie den Überlebenskampf der Landlosen im dürren Nordosten oder das Strandleben in Rio.
Da bleibt es nicht aus, daß das Ganze mitunter ein wenig zusammengewürfelt wirkt — hier drei Seiten über die Dürre in Bahia, da ein paar Absätze über Landkonflikte in Maranhao und dazwischen die zauberhaften Strände des Nordostens. Ein Sachregister fehlt dabei leider, und so eignet sich das Buch am besten dafür, vor der Reise gelesen zu werden. Nur 80 Seiten praktische Tips sind zur Organisation der Reise ohnehin ein wenig dürftig.
Hat man den „Anders Reisen“- Führer vor Reiseantritt studiert, empfiehlt sich das „Brasilien- Handbuch“ von Schoen und Herzberg eher als Teil des Reisegepäcks. Klein gedruckt auf dünnem Papier, bietet es fast alles an Wissenswertem, was Traveller brauchen. Dem allgemein gehaltenen landeskundlichen Teil folgen 400 Seiten prall gefüllt mit Infos über Geschichte und Kultur, Sehenswürdigkeiten, Hotels, Restaurants und Transportmöglichkeiten. Zahlreiche recht detaillierte Karten und Stadtpläne sind eine nützliche Ergänzung. Einziger Nachteil dieses Führers: Er folgt im wesentlichen den touristischen Routen, das Landesinnere wird eher stiefmütterlich behandelt.
Empfehlenswert ist auch der Brasilien-Führer aus der Reihe „Preiswert Reisen“ von M. und S. Wolff. Er ist nicht ganz so ausführlich, dafür aber nicht so teuer wie das „Brasilien-Handbuch“.
Im Vergleich mit den drei genannten Werken bieten alle anderen Brasilien-Führer auf dem Markt weder diese Fülle von praktischen Hinweisen, noch ermöglichen sie tiefere Einblicke in das Leben der Menschen. Das „Brasilien Reise-Handbuch und Landeskunde“ von Baum und Beese ist zwar ähnlich aufgebaut wie das „Brasilien-Handbuch“ von M. und S. Wolff, enthält jedoch erheblich weniger Informationen. Hinweise auf preiswerte Hotels fehlen zum Beispiel. In „Brasilien kennen und lieben“ aus der Reihe LN-Fernreise-Führer beschreibt die Autorin liebevoll Städte und Regionen, gibt jedoch keinerlei Hinweise auf Übernachtung, Transport oder Lebensweise der Menschen. Und wozu eine nur äußerliche Beschreibung von etwas dient, was ich mir ohnehin ansehen will, bleibt schleierhaft. Nicola Liebert
A. Busch, P. Schaeber, M. Wilke: „Brasilien“, rororo Anders Reisen, 1992, 24,80 DM.
M. Schoen, W. Herzberg: „Brasilien-Handbuch“, Verlag Gisela E. Walther, 1990, 39,80 DM.
M. & S. Wolff: „Preiswert Reisen. Brasilien“, Hayit 1991, 29,80 DM.
S. Baum, A. Beese: „Brasilien Reise-Handbuch und Landeskunde“, Unterwegs-Verlag, 1990, 28,80 DM.
G. Rob: „Brasilien kennen und lieben“, LN-Fernreise-Führer, 1990, 24,80 DM.
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