: Nachrichten aus dem „Rechtsgefäß“
■ Gesellschafterroulette beim Nachrichtenkanal VOX in Köln
So mancher der bisher 260 vertraglich an VOX gebundenen Mitarbeiter schielt derzeit nach Alternativen. Immer öfter schrecken BewerberInnen für die noch offenen 90 Stellen vor der endgültigen Unterschrift zurück. Die Gesellschafterquerelen um den Nachrichtenkanal haben Unsicherheit in die Kölner Sendezentrale gebracht. Sogar Programmchef Ruprecht Eser werden Abwanderungsabsichten nachgesagt. Jetzt, da der stellvertretende ZDF-Chefredakteur Peter Voß die öffentlich-rechtliche Karriereleiter hochgefallen ist und demnächst als Südwestfunk-Intendant in Baden-Baden seinen Dienst antritt, jetzt könnte Eser doch als Nachfolger von Voß an seine alte Wirkungsstätte auf den Mainzer Lerchenberg zurückkehren.
VOX dementierte die Spekulation eilends und gibt sich betont gelassen. „Hier läuft alles planmäßig“, versucht VOX-Sprecher Bernd M. Samland zu beruhigen, „die Stimmung ist sehr sachorientiert.“ Und das trotz dicker Fragezeichen hinter der Gesellschafterstruktur des News-Channels. Zum Jahresende läuft die Beteiligung von Time Warner International an VOX aus – das Unternehmen hatte das Engement beim Berliner Infokanal n-tv dem Kölner Projekt vorgezogen. Und auch eine Beteiligung von Bertelsmann ist seit letzter Woche fraglich.
Die 14,5 Prozent von Time Warner an VOX suchen nun nach einem neuen Eigner. „Interessenten dafür gibt es mehr als Prozente“, ist aus den Reihen der VOX-Gesellschafter zu hören. Wer schließlich den Zuschlag bekommt, erwartet die Düsseldorfer LfR (Landesanstalt für Rundfunk) als zuständige Genehmigungsbehörde mit Spannung. Hatten die Landesmedienanstalten doch Mitte September „erhebliche Bedenken im Hinblick auf unzulässige Verflechtungen“ angemeldet und eine härtere Gangart gegenüber privaten TV- Sendern angekündigt. Eine Entscheidung über die Time-Warner- Anteile ist indes noch nicht gefallen. Wohl vor allem mit Blick auf das zweite große Fragezeichen.
In der vergangenen Woche hatte nämlich das Hamburger Landgericht die 24,9-prozentige Beteiligung der Bertelsmann- Tochter UFA an VOX untersagt. Begründung für die Entscheidung ist eine Wettbewerbsklausel im Gesellschaftervertrag von RTL2, die den Partnern – darunter auch die UFA – die Beteiligung an einem anderen Sender ohne Zustimmung der Mitgesellschafter verbietet. Der Klage von RTL2-Anteilseigner CLT, der Holding von Radio Luxemburg, haben die Hamburger Richter deshalb stattgegeben. Bertelsmann sieht die Zustimmung der RTL-Gesellschafter aber gegeben, weil sie VOX schließlich massive Starthilfe gewährt hatten. Zusammen mit einigen anderen Aspekten hält man in der Gütersloher Bertelsmann- Zentrale die „Gründe für tragfähig“, um nun eine Berufung gegen das Hamburger Urteil vorzubereiten.
Gleichzeitig verhandeln CLT und Bertelsmann intensiv, um doch noch eine einvernehmliche außergerichtliche Lösung zu finden. Die Luxemburger sind dabei offensichtlich auf VOX-Anteile aus, während die Bertelsmänner sich vehement für ihr eigenes Verbleiben auf dem Nachrichtenkanalmarkt einsetzen. Beide versprechen sich von VOX ein einträgliches Geschäft. Schließlich wird der Kölner Sender nach eigenen Angaben schon ab dem geplanten Sendestart Mitte Januar 60 Prozent der deutschen Fernsehhaushalte erreichen. In Nordrhein- Westfalen ist den Privatfunkern dank massiver sozialdemokratischer Schützenhilfe eine fast 100prozentige Verbreitung sicher. Um diese Wünsche und Begehrlichkeiten herum gibt es nun eine Fülle denkbarer Beteiligungsmodelle. „Leute und Programme sind austauschbar“, heißt es in der VOX-Chefetage, „wirtschaftlich interessant sind die terrestrischen Frequenzen.“ Völlig neu gemixt werden könnten auf jeden Fall die insgesamt 39,4 Prozent von UFA und Time Warner. Zur Disposition stehen offenbar aber auch Teile der Zehn-Prozent-Beteiligung mittelständischer Unternehmer.
Das hartnäckige Gerücht einer Fusion des Nachrichtensenders VOX mit dem Unterhaltungskanal RTL2 – angesichts der jüngsten Entwicklung naheliegender denn je – wird von allen Beteiligten heftig dementiert. Fusion sei „kein Thema“, verkündet standhaft RTL2-Sprecher Hendrik Schmidt und beteuert, das Spielfilm- und Serienprogramm werde am 28.November allein auf Sendung gehen. VOX sei und bleibe ein „eigenes Rechtsgefäß“, versichert auch Bertels-Mann Helmuth Runde. Eine noch nicht näher definierte Kooperation mit RTL2 werde allerdings angestrebt, sagt Runde. Eine Fusion würde schließlich die politischen und rechtlichen Grundlagen für das „informationsorientierte Vollprogramm“ VOX verletzen. Dieser Grundsatz sei „unverrückbar“, betont der Kölner Infosender, verhandeln könne man nur über seine Realisierung.
Am Donnerstag hatte der Länderausschuß aus Nordrhein- Westfalen, Hessen und Saarland VOX-Geschäftsführer Staake zum Rapport über die Gesellschafterstruktur gebeten. Sehr erhellend waren Staakes Auskünfte aber nicht. Denn bis er Verhandlungsergebnisse präsentieren kann, werden noch einige Wochen vergehen. Die wohlgesonnenen Genehmigungsinstanzen stört das wenig. Solange das Hamburger Urteil nicht rechtskräftig ist und Time Warner seine Anteile noch hält, besteht kein akuter Handlungs- und Klärungsbedarf.
In der Kölner VOX-Zentrale gehen die Vorbereitungen für den Sendestart indes weiter. Derzeit werden die ersten Pilotsendungen produziert, im Dezember beginnt die heiße Phase des Probebetriebs. Nach Weihnachten soll dann die Werbekampagne für den VOX- Sendestart Mitte Januar anlaufen. Christoph Heinzle
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