piwik no script img

Patt in Bezirken durch Los entscheiden

■ Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtshofs: d'Hondt-Verfahren zur Bildung der Bezirksämter ist zulässig/ Patt bei der Besetzung des siebten Stadtratspostens muß durch Losverfahren aufgelöst werden

Berlin. Die Bildung der Bezirksämter nach dem d'Hondtschen Höchstzahlverfahren ist nach der Berliner Verfassung zulässig. Und: bei der Auflösung eines Patts bei der Vergabe des siebten Postens im Bezirksamt ist das Losverfahren „zwingend“ erforderlich. Zu diesem Urteil kam gestern der Verfassungsgerichtshof von Berlin.

Der Entscheidung war ein mehrmonatiger Rechtsstreit vorausgegangen, der im Kern um die Frage kreist, welches Zählverfahren bei der Wahl des Bezirksamtes angewendet werden kann: d'Hondt oder Hare-Niemeyer; letzteres begünstigt kleinere Parteien. Nach den Kommunalwahlen im Mai hatten die Bezirksverordnetenversammlungen (BVVs) von Wilmersdorf und Zehlendorf mehrheitlich dafür gestimmt, nach dem Hare-Niemeyer-Verfahren die sieben Posten des Bezirksamts zu bestellen. Dagegen waren die CDU- Fraktionen beider Bezirke erfolgreich vor das Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht (OVG) gezogen. Das OVG hatte mit dem Verweis auf das Berliner Bezirksverwaltungsgesetz festgestellt, daß die Ermittlungen des Stärkeverhältnisses der Fraktionen nach dem d'Hondtschen Verfahren zu erfolgen habe.

Gestern bestätigten nun Berlins oberste Verfassungshüter die bisherige Rechtsprechung der Verwaltungsrichter und wiesen zugleich drei Verfahren zurück: eine Verfassungsbeschwerde der BVV von Zehlendorf gegen die Entscheidung des OVG sowie zwei Anträge auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung, mit denen die Fraktionen der Grünen/AL in Wilmersdorf und Zehlendorf die Wahl nach Hare-Niemeyer durchsetzen wollten.

Die Richter begründeten ihre Ablehnung damit, daß – wie in allen drei Fällen – weder eine BVV noch eine Fraktion im Wege eines „Organstreits“ den Verfassungsgerichtshof anrufen könne. Dieses Verfahren stehe nur obersten Landesorganen oder solchen Beteiligten zur Verfügung, die nach der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses mit eigenen Rechten ausgestattet seien. Die Bezirke sind nach Auffassung des obersten Gerichts jedoch nur „Teil der Verwaltung von Berlin“. Ebensowenig können nach Ansicht der Richter Fraktionen – wie im Falle der Grünen/AL – stellvertretend für die BVV eine Organklage erheben.

Zum strittigen Zählverfahren erklärten die Richter, daß die Berliner Verfassung eine Wahl nach Hare-Niemeyer nicht vorschreibe. Zugleich werde das d'Hondt-Verfahren jedoch auch nicht ausgeschlossen. Eine Auslegung des Bezirksverwaltungsgesetzes nach diesem Verfahren sei damit „verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden“.

Als einzige der Beteiligten konnte gestern nur die CDU-Fraktion von Wilmersdorf einen Erfolg verbuchen. Ihre Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung des OVG aus dem Jahre 1989 wurde wegen Verletzung des Grundrechts auf Chancengleichheit zugelassen. Die obersten Richter Berlins korregierten damit die damalige OVG-Entscheidung, mit dem die Mehrheit der BVV ermächtigt wurde, selbst zu bestimmen, mit welchem „rationalen Verfahren“ das Patt bei der Wahl des siebten Stadtratspostens aufzulösen sei.

Die Verfassungsrichter schlossen ausdrücklich aus, daß in solch einem Falle das Hare-Niemeyer- Verfahren herangezogen werden könne. In diesem Falle gebiete die Chancengleichheit „zwingend die Anwendung des Losverfahrens“, so die Richter.

Die Grünen/Al von Wilmersdorf erklärten gestern, mit der Entscheidung des Gerichts würden die großen Parteien weiterhin bevorteilt. Das Gericht nehme mit seiner Entscheidung zugunsten von d'Hondt eine »Verzerrung« des Wählerwillens »billigend in Kauf«. Die kommunalpolitische Vereinigung der CDU begrüßte hingegen die Rechtsprechung. Damit werde »Klarheit« für die noch ausstehenden Bezirksamstwahlen geschaffen. sev

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen