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„Umkehr, das war ihre Botschaft“

■ Interview mit Marieluise Beck zum Tod von Petra Kelly

Zusammen mit Petra Kelly und Otto Schily war Marieluise Beck Sprecherin der ersten Grünen- Fraktion im Bundestag.

taz: Es gab eine Zeit, da stand der Name Petra Kelly fast synonym für die deutschen Grünen.

Marieluise Beck: Schon bei den Europawahlen 1979 war der Name dieser EG-Kommissarin aus Brüssel, Petra Kelly, ein Begriff. Ich habe sie im Frühjahr 1979 in Pforzheim kennengelernt, als wir in Baden-Württemberg eine Veranstaltung zu den Auswirkungen von Chemie in Lebensmitteln durchführten. Sie hat in einer ganz fundamentalen Weise Themen aufgegriffen, die nach Umkehr gerufen haben. Das war Petras große Botschaft, daß die Gesellschaft umkehren müsse. Diese Botschaft wurde dann auch das Thema der Grünen. Nicht nur die Abrüstung.

Petra Kelly stand bei vielen wichtigen Ereignissen in den ersten Jahren der Grünen im Zentrum...

Mir fallen da natürlich die großen Massenkundgebungen gegen die Aufrüstung mit der PershingII ein, in Bonn und in anderen Städten. Sie hat damals die Stimmung in der Friedensbewegung voll getroffen und konnte die Menschen mit ihrer Botschaft in unglaublicher Weise erreichen, das ist auch bei den Medien so gewesen.

Ich kann mich gut daran erinnern, wie wir zum Einzug der Grünen in den Bundestag einen langen Zug organisiert haben durch Bonn. Und dann der Wechsel von der Straße in den Bundestag. Petra Kelly hatte auf den Kundgebungen eine fast übernatürliche Größe bekommen. Auf ihren ersten Auftritt im Bundestag waren alle gespannt. Da wirkte sie auf einmal in diesem alten schwarzen Plenarsaal unglaublich klein und fast verloren. Man hatte das Gefühl, dort im Bundestag kann sie niemanden erreichen, ihre Worte prallen an diesen grauen Anzügen und an einem fast gleichgültig gewordenen Politikbetrieb ab. Das war eine traurige Erfahrung.

Wenig später trat Petra Kelly dann Erich Honecker gegenüber mit dem in der DDR verbotenen und verfolgten Symbol „Schwerter zu Pflugscharen“ auf dem T-Shirt.

Und sie hat sich einige Zeit später auf dem Alexanderplatz angekettet. Das waren Aktionen, das will ich durchaus zugeben, wo wir, ein Teil der Grünen damals, schon fast kopfschüttelnd davorgestanden haben. Diese Aktionen hatten manchmal etwas Harakirimäßiges, die DDR war damals innenpolitisch ein waffenstarrender Staat. Es war vollkommen klar, daß sie abgeführt werden würde. Es hat damals eine zurückhaltende Betrachtung bei den Grünen gegeben, ob das überhaupt noch solide Politik ist oder nicht eher nur medienorientierte Politik.

Auch bei den Grünen gab es manchmal Zweifel...

...ob bei Petra Kelly der ethische Rigorismus ihre Art, Politik zu machen, dominierte, oder ob sie sich gekonnt den Gesetzen der Medien stellte, die auf Aktionen ja immer scharf sind. Petra war in den USA aufgewachsen. Ihre Art, Politik zu machen – aktionsbezogen, mit Bildern, mit Symbolen, mit Zeichen – hat sie aus den USA mitgebracht.

Ist sie einsam gestorben?

Das weiß ich nicht. Menschen, die wie sie und Gert Bastian so viel im Ausland unterwegs sind, sind oft einsam. Ich könnte mir vorstellen, daß sie einsam gestorben ist. Fragen: Klaus Wolschner

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