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„Nicht ganz die volle Wahrheit“

■ Untersuchungsausschuß kommt / Fücks stellt sich vor Wedemeier

Ein zehnköpfiger parlamentarischer Untersuchungsausschuß soll sich mit der Spendenpraxis der Stadtwere an die SPD-nahe Friedrich Ebert-Stiftunng und mit der Gewährung von sog. „Werktarifen“ für Aufsichtsratsvorsitzende beschäftigen. Das beschloß gestern auf Antrag der CDU die Bremer Bürgerschaft. Neben der CDU stimmten die Grünen, die FDP und die DVU dafür. Leiten soll den Ausschuß der SPD-Fraktionsvize Reinhard Barsuhn, sein Stellvertreter wird CDU-Mann Niederbremer.

Für die CDU begründete Fraktionschef Peter Kudella den Antrag. Es gelte, „mit den Mitteln der Strafprozeßordnung, die ein solcher Untersuchungsausschuß zur Verfügung hat, das enge, undurchsichtige Geflecht von Vorstandsmitgleidern und Aufsichtsratvorsitzenden zu entwirren.“ Die Stadtwerke seien zu 80 Prozent in öffentlicher Hand, „daß heißt de facto SPD-beherrscht“, sagte Kudella, den vor allem zwei Fragen interessieren: Geht die zunehmende Spendenbereitschaft der Stadtwerke an die SPD-Stiftung seit 1988 (500 Mark) bis 1991 (45.000 Mark) auf den Einfluß Wedemeiers zurück, der seit 1988 Aufsichtsratsvorsitzender ist? Und wer ist dafür verantwortlich, daß Aufsichtsratsvorsitzende wie der Bürgermeister a.D. Hans Koschnick, Senator a.D. Claus Grobecker oder auch Bürgermeister Wedemeier den Werktarif bei ihrer Stromrechnung zugesprochenn bekommen haben, obwohl es einen Aufsichtsratsbeschluß gibt, der diese Vergünstigungen ablehnt? Ein Entlastunngsbrief des Stadtwerke-Vorständlers Jörg Willipinski, der das auf die Kappe des vorstandes nimmt, existiert zwar, aber eine Protokollnotiz gibt es zu einer solchen Entscheidung nicht. „Ich glaube, daß der Brief nicht ganz die volle Wahrheit sagt“, meinte Kudella. Im Klartext: Der Brief macht falsche Angaben, um den Bürgermeister zu entlasten.

Vorwürfe mußte sich Kudella von der Grünen Elisabeth Hackstein anhören. Er sei auf der klärenden Sitzung des Aufsichtsrates am vergangenen Freitag nicht erschienen und habe sich damit um die Chance gebracht, die Antworten auf seine Fragen zu finden. Mit dem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses „schaden Sie dem Unternehmen und müssen sich fragen lassen, ob Sie noch in den Aufsichtsrat gehören.“

Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Claus Dittbrenner, meinte, daß „die Faktenlage so weit geklärt (sei), daß sich ein Untersuchungsausschuß erübrigt.“ Spendenpraxis und Werktarife seinen bereits in Kleinen Anfragen „in epischer Breite“ in der Bürgerschaft geklärt worden. „Die 300.000 Mark, die das wieder kostet, ist Geldrausschmeißerei“.

Der DVU-Mann Klaus Blohm sprach von „unverschämten Absahnern“, die bei der Bevölkerung „kalte Wut“ provoziert hätten, die FDP stellte sich hinter den CDU- Antrag. Heinrich Welke begründete das für die Liberalen: Nicht hinreichend geklärt ist für uns die Frage, ob die arbeitsrechtlichen Konsequenzen für eine Angestellte der Stadtwerke angemessen waren.“ Die Stadtwerke hatten nach Bekanntwerden des Billigtarifes durch die taz eine Mitarbeiterin geschaßt, die die Bürgermeisterdaten angezapft haben soll.

Umweltsenator Fücks sprach gegen einen Untersuchungsausschuß. Wedemeier habe den Werktarif „nicht erbeten“, erklärte er. Die Spendenpraxis der Stadtwerke vom Jahr 1983 an sei „hinreichend durchleuchtet“. Der Umgang mit der Mitarbeiterin der Stadtwerke sei „vielleicht nicht klug und politisch richtig“ gewesen, aber über mehr Datenschutz bei den Stadtwerken solle man ernsthaft nachdenken. mad

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