Sammler, Händler, Desperados

■ Zwischen Auktions-Profis und Anfängern auf der Jagd nach dem Schnäppchen

Foto: Tristan Vankann

Suchen Sie silberne Schenkkannen? Große Kloßlöffel?? Keksdosen??? Murano-Glasschalen???? Rosenthal-Vasen oder Meissner Porzellan????? Oder lieben Sie Stilleben aus Blumen und großen Früchten, weidende Rehe in Waldlandschaften, Holzhütten vor Alpenpanorama in vergoldeten Rahmen? Sammeln Sie Puppenhäuser? Jugendstiluhren?? Art-Deco- Stühle??? Dann kennen Sie sicher alle Adressen der großen Auktionshäuser Bremens. Und samstags sitzen Sie dicht an dicht mit all den anderen Sammlern und Jägern auf Holzstühlen und heben lässig die Hand.

Es ist alles wie im Film: „Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten“ — dann fällt das Hämmerchen. Einmal tief einatmen, es riecht nach Goldgräbern und Glücksrittern. Die Nummern der Bieter gehen nach oben und sinken wieder herunter. Spannung und Konzentration: Wer bieten will, darf seinen Einsatz nicht verpassen. Die Fußschale geht für 110 Mark an die Fünf, der Tafelaufsatz für 100 Mark an die Dreißig.

Kein Sammler kommt unvorbereitet. Zwei Tage zuvor haben sie die zur Versteigerung stehenden Stücke besichtigt. Auf Listen notieren sie, für welche

Summe die Stücke an den Meistbietenden gegangen sind. „Man darf sich nicht mitreißen lassen“, warnt eine Sammlerin, „sonst steigert man zuviel“. Die „Urgewalt der Habgier“, wie schnell hat sie den Sammler, die Sammlerin, gepackt, und wenn es ans Zahlen geht, kommt plötzlich der Katzenjammer. „Manche geben darum nur schriftliche Gebote ab, weil sie Angst haben, zuviel Geld auszugeben“, verrät die Sammlerin. Behutsam schlägt sie ihre Beute, eine große Bowle-Schale, in Papier ein: Ein echtes Schäppchen. „Lobmeyer“, tippt sie und klärt auf: österreichisches Glas, wertvoll und traditionsreich.

So ein Auktionator muß schnell sein. 1.600 Positionen stehen auf der Liste, von der Bowlen-Schale bis zum Wandspiegel. Von morgens zehn bis abends sieben wird gesteigert und geboten. 50, 55, 60, 70, 80 ... Lange Zahlenreihen, wenn zwei Liebhaber hartnäckig um das gleiche Objekt bieten, sind Hans-Peter Albrecht ein besonderes Vergnügen: „Das mache ich doch gerne.“ Die Erfahrung hat ihm den Blick geschärft: Dafür, wer ernsthaft bietet und wer noch zögert. Dann macht er auch mal eine kleine Pause. Vor zwei Monaten hatte Hans-Peter Al

brecht seine 100te Auktion. Nur eine Viertelstunde Pause macht er an so einem Auktionstag und hält die Stimmbänder mit reichlich Mineralwasser geschmeidig. Daß er viel geredet hat, merkt er erst am Abend.

Hans-Peter Albrecht hat seine Stammkunden, und die wiederum kennen sich gegenseitig. Es sind Sammler, Händler, Desperados: Schatzsucher auf der Jagd nach der einmaligen Gelegenheit und Flohmarktprofis, die ihr Sortiment auffrischen wollen. Es sind Leute, die schon mit ihren Eltern auf Auktionen gegangen sind und Anfänger, die ihre Schwellenangst noch nicht ganz überwunden haben. „Es ist ein bißchen wie Pokern“, meint ein Besucher. „Manchmal ist man stocksauer, weil einem jemand was vor der Nase wegschnappt.“ Doch wie der Pokerspieler bleibt der Bieter cool und „grummelt nur innerlich“. Auch für diejenigen, die zweimal im Monat auf Auktionen gehen, bleibt der Reiz erhalten. „Manche“, sagt Hans-Peter Albrecht, „brauchen das wie ein Fußballspiel“.

Die Liebhaber von Meissner Porzellan sind an diesem Samstag zu Hause geblieben. Das 50-teilige Service findet auch für 2.000 Mark keinen Bieter. Das Service geht zurück an die Erbin. Der Auktionator: „Ich bin da ja auch gebunden. Gewisse Preise muß ich einhalten.“ Wer bietet mehr? Das Publikum bestimmt die Preise. „Und wenn kein Händler da ist, kann man schon mal ein Schnäppchen machen.“ Wenn Sie also silberne Milchkännchen sammeln, ist so ein Auktionshaus für Sie bestimmt die richtige Adresse. Nur kurz entschlossen müssen Sie sein und die Hand heben, eh der Hammer fällt. Diemut Roether