piwik no script img

Jugendsenator gegen rechte Rockgruppen

■ Strafanzeige gegen rechtsextremes Plattenlabel/ Neueste CD der Gruppe „Störkraft“ soll auf den Index/ Auftritt im TV

Berlin. Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) will dem zunehmenden Einfluß rechtsextremer Rockgruppen in der Jugendszene mit gesetzlichen Mitteln begegnen. Krüger kündigte gestern an, bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften in Bonn die neueste CD der Gruppe „Störkraft“ auf den Index setzen zu lassen. Gleichzeitig stellte er gegen die Firma „Rock-o-Rama“ in Köln, die neben Störkraft auch weitere rechtsextreme Bands vertreibt, eine Strafanzeige wegen Aufstachelung zum Rassenhaß.

Bei der gestrigen Präsentation von Text- und Musikauszügen rechtsextremer Bands erklärte Krüger, es dürfe nicht geduldet werden, daß „wachsende Kreise der Bevölkerung, aber auch der rechten Szene den Eindruck gewinnen, der Staat wäre auf dem rechten Auge blind“. Es müsse allen klar vor Augen geführt werden, daß die Grenzen der Toleranz da verliefen, „wo die Würde des Menschen angetastet wird“. Ziel sei nicht, gegen die Musik an sich vorzugehen, sondern sich gegen Texte zu wehren, die „nicht mehr auf der Basis des Grundgesetzes stehen“.

Krüger warnte davor, die derzeitigen Tendenzen in der Jugendkultur zu verharmlosen. Gruppen wie Störkraft und andere erfaßten zunehmend mit ihren Forderungen nach einfachen Lösungen das „Potential der Mitte“. Um deren Abdriften nach rechts zu verhindern, sei eine „offensive Sicherheitspolitik“ nötig, die allerdings mit einer „Präventionspolitik“ verbunden werden müsse. In diesem Zusammenhang forderte Krüger eine übergreifende, modernisierte Jugendpolitik. Ziel müsse es sein, die gegenüber den Rechten „konkurrierenden Jugendkulturen“ mehr als bisher zu fördern. Dazu gehöre auch, ABM-Projekte, die sich mit Jugendlichen beschäftigen, am Jahresende nicht auslaufen zu lassen.

Krüger verteidigte die Berliner Linie, im Rahmen der Programms „Jugendgruppengewalt“ auch die Arbeit mit rechtsextremen Jugendlichen zu unterstützen. Damit solle verhindert werden, daß „rechtsorientierte“ Jugendliche in die rechtsextreme Szene abwanderten: „Wir müssen aufpassen, daß wir nicht eine ganze Generation vergessen“, sagte er.

Gleichzeitig warnte er die Sozialarbeiter davor, von Rechtsextremen „unterlaufen und unterwandert“ zu werden. Auf keinen Fall dürften die Sozialarbeiter sich Inhalte rechter Jugendlicher zu eigen machen. Zur Überwachung der Projekte sei eigens eine Gruppe in seiner Senatsstelle eingerichtet worden. Die Gruppe Störkraft, die sich musikalisch an Punk anlehnt, wird inzwischen im Verfassungsschutzbericht aufgeführt, wie das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln gestern gegenüber der taz bestätigte. Darin heißt es, in den Songs komme „unverhüllter nationalsozialistischer Rassismus und Nationalismus“ zum Ausdruck. Einen Eindruck vermittelten die gestern von Krüger und seinen Mitarbeitern präsentierten Text- und Musikauszüge. In dem Störkraft-Titel „Kampfhund“ wird das Töten von Minderheiten offen proklamiert: „Kampfhund, Bestie aus deutschem Blut... Schlechte Zeiten für den Abschaum im Land. Der Kampfhund hat sie fest in seiner Hand. Bebend vor Angst stehn sie vor der Mauer. Der Kampfhund liegt schon auf der Lauer; ohne Gnade und ohne Moral“. Andere Bands, wie etwa „Werwolf“, verpacken Zitate aus der Rede des früheren NS-Propagandaministers Joseph Goebbels im Sportpalast 1943 mit Parolen, wie sie heute von rechtsextremen Parteien verwendet werden. In einem Lied heißt es: „Volk steh auf, der Sturm bricht los, du siehst es selbst, der Haß ist groß. Wohnungsgelder, Arbeitsplatz bevorzugt werden sie in jedem Satz. Unser Recht, das steht schon längst in Frage, wir befreien uns von dieser Plage“. Aller öffentlichen Kritik zum Trotz plant der Fernsehsender Sat. 1, am 29. Oktober in seiner Live-Sendung „Einspruch“ eine rechtsextreme Rockgruppe mit anderen Musikern diskutieren zu lassen. Unter anderen, so hieß es gestern von Sat. 1., sei dabei auch an Störkraft gedacht. Severin Weiland

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen