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NDR: Gegen Nazis, aber ...

■ Mitarbeiterin in Gewissensnot wg. rechter Propaganda / Prozeß vor dem Arbeitsgericht

/ Prozeß vor dem Arbeitsgericht

Vor dem Landesarbeitsgericht Hamburg wurde gestern die Berufung einer NDR-Mitarbeiterin verhandelt. Die Redaktionsassistentin Astrid Diekmann-Schrader hatte sich im Juni 1991 geweigert, einen Wahlwerbespot der rechtsradikalen Hamburger Liste für Ausländerstopp (HLA) zum zuständigen Toningenieur zu tragen. Grund genug für den NDR, seine Mitarbeiterin abzumahnen. Die Klage gegen die Abmahnung hatte das Arbeitsgericht im Februar dieses Jahres abgelehnt.

Das Gericht bestätigte damals zwar, daß die Wahlspots der Republikaner und der HLA rassistische und ausländerfeindliche Ziele propagierten und bejahte daher die Gewissensentscheidung Diekmann- Schraders. Es folgte jedoch der Argumentation des NDR, daß niemand anderes den Werbespot ins Studio hätte tragen können.

Während der gestrigen Berufungsverhandlung forderten die Richter Frau Diekmann-Schrader auf, binnen zwei Wochen ihre Gewissensgründe genauer darzulegen. Es reiche nicht aus, einfach zu sagen: „Das is' so bei mir.“

Auch müsse beachtet werden, daß Tätigkeiten wie das Transportieren von Werbespots für die Arbeitnehmerin vorhersehbar waren. Daß es bei Vertragsabschluß vor zwölf Jahren derartige Spots noch nicht gab, ließen die Herren außer acht. Im Hinblick auf den rassistischen Inhalt des HLA-Spots stellte das Gericht fest, daß Frau Diekmann-Schrader mittlerweile dann wohl auch keine Werbespots der CDU mehr durch die Gegend schleppen dürfe.

Von einer unglaublichen Seite präsentierte sich der Anwalt des NDR, der einer außergerichtlichen Einigung nicht sehr zugetan war.

1„Wer beim NDR arbeitet, muß auch die verfassungsrechtlichen Aufgaben des Senders miterfüllen“, bemerkte er vehement und wies darauf hin, daß die Protesthaltung der Mitarbeiterin risikolos sei, da sie nichts koste. „Eine Protesthaltung mit Pensionsberechtigung“, wie er sich ausdrückte.

1Interessant in diesem Zusammenhang, wenn auch nicht vom Gericht erörtert, ist die Tatsache, daß der NDR in Hamburg und Schleswig- Holstein im vergangenen Jahr zunächst Werbespots der Rechtsradikalen nicht ausstrahlen wollte und per einstweiliger Verfügung (EV) dazu gezwungen wurde.

1Die Welle-Nord des NDR distanzierte sich sogar in einem redaktionellen Beitrag von den Spots unmittelbar nach deren Ausstrahlung. Auch dies wurde dem NDR per EV untersagt. Das Berufungsverfahren wird voraussichtlich erst im kommenden Frühjahr fortgesetzt. Gregor Gerlach/nm

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