: Eine Halbzeit wasserdicht
■ Hamburger SV: 1:2 Heimniederlage gegen Schalke / Nun Tabellenvorletzter
1:2 Heimniederlage gegen
Schalke / Nun Tabellenvorletzter
Lauschte man den beiden Fan- Blöcken im Volksparkstadion, so fiel eins eklatant auf: Während die 8000 mitgereisten Weiß-Blauen einen grundsätzlich positiven Tenor anstimmten, Lattek lobten, Schalke anfeuerten und ihr berühmtes „Attacke“ durch die Wassergardine auf den Platz schickten, beschäftigten sich die hier ansässigen Blau-Weißen in der Westkurve weit mehr mit der Verunglimpfung des Gegners. Statt skaniertes „Ha-Es-Vau“ brüllte es von dort viel lieber „Scheiße 04“ oder „Wir woll'n keine - Schalker Schweine“.
Diese Philosophie scheint ansteckend zu sein. Nicht nur, daß HSV-Adelige wie von Heesen nach dem Spiel ebenfalls zu skatologischen Ausdrücken Zuflucht suchen, um die eigene Misere nicht in ganzen Sätzen beschreiben zu müssen. Auch auf dem Platz verdichtet sich die negative Atmosphäre, die der Anhang produziert, zu glücklosem Spiel. Konsequenter Angriffsfußball, wie ihn die Elf vom Rothenbaum in den ersten 30 Minuten bot, scheitert ja vielleicht nicht nur daran, daß Brechstangen-Fußballer wie Armin Eck den Ball mit Vorliebe im gegnerischen Spieler und nicht im Tor versenken, daß Stürmer wie Karsten Bäron sich wie eine Gelenkpuppe bewegen oder Marinus Bester oft den Eindruck erweckt, als wäre er aufgestellt worden, um den Strafraum zu saugen. Nein, die Vermutung liegt nahe, daß der Astralleib der Mannschaft (hier das Publikum) für die Verseuchung der Offensive mit unplazierten Schüssen und katastrophalen Deckungsfehlern verantwortlich ist.
Auch wenn von Heesen und nach der Pause Yordan Letchkov die Schalker Verteidiger ein ums andere Mal narrten und nur an dem schlechten Betragen von Knappen- Keeper Holger Gehrke scheiterten,
der sich erfrechte, alle Schüsse aufs Schalker Tor zu halten - die Tore gelangen Freund (Vorname Stefan, direkt nach der Pause beim ersten Schalker Eckball) und Feind (Ingo Anderbrügge zum 2:0 in der 54. Minute mit einem sehenswerten Außenrist-Schlenzer).
Leicht ist es, dem neuen Tabellen-Vorletzten zu bestätigen, daß er 70 Minuten Drangfußball zeigte.
Dennoch muß hinzugefügt werden, daß die Niederlage noch weit höher hätte ausfallen können, denn gegen Konterfußball aus Gelsenkirchen konnte die Abwehr um Frank Rohde nur deshalb eine Halbzeit wasserdicht bleiben, weil Schalke mit Mihajlovic und Christensen einen Millionensturm hat, der lieber frei vorm Tor ausrutscht oder solange herumtändelt bis auch ei-
nem Carsten Kober wieder eingefallen ist, daß ein frei im 16er herumrollender Ball an Gegners Fuß eine Gefahr fürs eigene Gehaltskonto darstellt. Karsten Bärons Anschlußstolperer in allen Ehren, aber ohne einen einzigen effektiven Stürmer wird der Fluch des Publikums an der Mannschaft für einen sicheren Durchfall in die 2. Liga sorgen. Till Briegleb
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