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SPD-Parteitag mit Salto mortale

■ Landeschef Frahm schwört Genossen auf Kompromiß ein: Rechtswegegarantie und Verfolger-Status durch Genfer Konvention

Der Berg kreißte und gebar: In wahrhaft letzter Minute konnte sich der SPD-Landesvorstand gestern abend für seinen Sonderparteitag doch noch zu einem gemeinsamen Leitantrag für ein neues Asylrecht durchringen. Ein Kompromißpapier, in dem die Positionen des niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder und des SPD-Chefs Björn Engholm geschickt verwoben wurden.

Der SPD-Landesvorsitzende Helmuth Frahm schwor dann auch die massenhaft ins Bürgerhaus Wilhelmsburg geströmten GenossInnen auf den vorgelegten Antrag ein: Es sei kein „fauler Kompromiß“. Und vor allem — und dies war als deutliches Signal zu verstehen — hinter ihm stünden die Häuptlinge der Hamburger SPD: neben dem Landesvorsitzenden Helmuth Frahm auch Günter Elste (SPD-Fraktionsvorstizender), Bürgermeister Henning Voscherau und Innensenator Werner Hackmann. Die führenden Köpfe der zerstrittenden Lager also.

Folgende Punkte legten sie zur Verabschiedung vor. Politische Verfolgte genießen Asylrecht (dies bedeutet auch die Rechtswege-Garantie des Artikels 19). Wer als Verfolgter anzusehen ist, wird durch die GenferFlüchtlings-Konvention definiert. Das ist der Vorschlag von Gerhard Schröder; in der Flüchtlingskonvention von 1951 verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten, jede Person, die „aus begründeter Furcht vor Verfolgung ihrer Rasse, Religion, Nationalität Zugehörigkeit zu einer besonderen sozialen Gruppe“ aus ihrem Land flieht, nicht in das Verfolgerland abzuschieben.

Einzige Ausnahme: Wer erheblich straffällig geworden ist, gilt nicht als schutzwürdig im Sinne der Konvention. Weiterhin: Wer durch in ein anderes europäisches Land (in dem die Genfer Konvention gilt und eine unabhängige Entscheidung gesichert ist) gereist ist, auch ohne einen Asylantrag zu stellen, wird dorthin zurückgeführt. Er genießt in Deutschland kein Asylrecht.

Im letzten Punkt gelang dem SPD-Vorstand der Salto mortale. Dort heißt es: Pauschale Länderlisten von Nichtverfolgerstaaten lehnen wir ab (Vorschlag Engholm). Aber in übereinstimmung mit dem Hohen Flüchtlingskommissar sollen künftig Listen sicherer Herkunftsländer Anhaltspunkte für beschleunigte Verwaltungsverfahren geben. Dies als eindeutiges Ersatzbonbon für den angeschlagenen Kanzlerkandidaten.

Auch Hans-Ulrich Klose, Ex- Bürgermeister von Hamburg und heute Chef der SPD-Bundestagsfraktion, rief die Delegier-

ten zur Annahme des Antrags auf: „Macht es euch schwer, wägt ab.“ Und plädierte für den Vorstandantrag,den er als „brauchbaren Kom-

promiß, in anständiger, rechtsstaatlicher und effektiver Weise das Problem zu lösen“ wertete.

Sannah Koch

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