■ Das Portrait
: William Bates

In Grimethorpe kennt jeder den 53jährigen William Bates. Er wurde in dem kleinen Ort in der englischen Grafschaft Yorkshire geboren und hat sein ganzes Leben hier verbracht. Urlaub hat er noch nie gemacht – „höchstens mal ein Wochenende in London, aber das ist auch schon eine Weile her“. Bates hat ungefähr 30 Jahre als Bergarbeiter gearbeitet. Er kann sich nicht genau erinnern, wie alt er war, als er zum ersten Mal unter Tage gefahren ist. Vor vier Jahren war jedoch Schluß. „Ich bin entlassen worden, weil ich oft krank war“, sagt er. Obwohl er jedesmal ärztliche Atteste vorlegen konnte, warf ihm die staatliche Kohlegesellschaft „British Coal“ vor, einfach geschwänzt zu haben. „Sie haben mich vor die Wahl gestellt: Entweder kündigte ich freiwillig und bekam eine Abfindung, oder sie würden mich rausschmeißen, und ich würde keinen Pfennig sehen. Was blieb mir anderes übrig, als zu kündigen?“ Seitdem lebt er von einer Invalidenrente, die hinten und vorne nicht reicht. Der Amtsarzt bescheinigte ihm eine chronische Bronchitis. „Das war eine Lüge“, sagt Bates. „Ich habe eine Staublunge, beide Lungen sind kaputt. Das Bergwerk macht dich langsam fertig, das Methangas setzt allen zu. Wenn du da unten arbeitest, wirst du ganz schnell müde, und die Beine werden schwer.“ Bronchitis ist nicht als Berufskrankheit für Bergarbeiter anerkannt.

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Foto: Ralf Sotscheck

Am vergangenen Sonntag ist allerdings bekannt geworden, daß der unabhängige „Rat für Berufskrankheiten“ eine entsprechende Empfehlung an das Industrieministerium geben will. Gleichzeitig ist durchgesickert, daß die Ministerialbeamten das Inkrafttreten dieser Richtlinie verzögern wollen – so werden viele Kumpel sterben, bevor sie den Antrag auf Entschädigung stellen können. „Niemand informiert dich über deine Rechte“, sagt Bates.

Jeden Nachmittag steht Bates an der Theke in der örtlichen Kneipe. Er trägt noch immer die schwarze Jacke mit dem orange abgesetzten Rückenteil, auf das die Buchstaben „NCB“ aufgedruckt sind: National Coal Board. Schon sein Vater und sein Großvater waren Bergarbeiter in Grimethorpe. Der Vater ist vor 20 Jahren an einer Staublunge gestorben. „Geld ist nicht alles“, sagt Bates. „Die Gesundheit ist viel wichtiger.“ Und dann fragt er, ob ihm noch jemand ein Bier ausgibt. Ralf Sotscheck