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Von Mäusen und Malkovich

■ Steinbeck vom Blatt gespielt

Sie bilden das klassische Gegensatzpaar, wären zum Komikerduo geschaffen, wenn die Geschichte nicht von John Steinbeck wäre. George ist klein, flink und clever; Lennie das Gegenteil. Er hat den Verstand eines Kindes, ungeschickte Hände, Kraft, die er kaum zu kontrollieren imstande ist und das Bedürfnis, alles anzufassen, was sich schön und weich anfühlt. Steinbeck hat schon in dieser Figur die richtige Mischung fürs sozialkritische Melodram vorgegeben, eine Mischung für Hollywood. Nebenbei und mehr aus Versehen geht unter den Händen des Riesenbabys im Mann oft kaputt, was er liebt. Manchmal muß eine Maus dran glauben, manchmal ein kleiner Hund. Einmal zerreißt er ein rotes Kleid. Die Frau, die es trägt, flieht in Panik. Mit diesem Bild beginnt der Film.

Die Atmosphäre von Angst, Bedrohung und Flucht vor dem Hintergrund einer idyllischen Landschaft in warmen spätsommerlichen Farben bestimmt Gary Sinises Neuverfilmung des John- Steinbeck-Klassikers „Von Mäusen und Menschen“. Die Geschichte spielt in Amerika zur Zeit der Depression: Das schöne Landleben wird gründlich entzaubert; Armut und Einsamkeit entwachsen dem Natur-Idyll. Lennie und George sind auf der Suche nach Glück, bescheidenem Wohlstand. Der Traum von einer eigenen Farm wird zu einer rituell wiederholten Durchhalteformel.

Nach dem Zwischenfall mit dem roten Kleid sind die beiden wieder auf der Straße. Sie finden einen neuen Job auf einer Farm, neues Unheil braut sich zusammen. Die Großaufnahme vom silbernen Nußknacker-Tier, das zwischen seinen Kiefern eine Nuß zermalmt, macht auf Unerfreuliches gefaßt. Weiches und Schönes lockt verhängnisvoll: Die Frau des Farmbesitzer-Sohns, gespielt von Sherilyn Fenn in Audrey-Horne-Twin- Peaks-Manier. Vorerst tätschelt Lennie einen kleinen Hund.

„Von Mäusen und Menschen“ ist ein Schauspielerfilm. John Malkovich gibt Lennie. Und spielt Oscar-trächtig gegen sein Image als smarter Intellektuellenschwarm an. Die Erinnerung an Robert De Niro, der sich in „Awakenings“ von Spasmen schütteln ließ, ist noch frisch. Auch Dustin Hoffman hat sich als autistischer „Rain Main“ einem Millionenpublikum eingeprägt. Die voyeuristische Lust nach dem Bizarren, Andersartigen, aus sicherer Entfernung im Kinosessel genossen, bedienten in den letzten Jahren Filme, die große Kassenschlager wurden. Nun also auch Malkovich in einer publikumswirksamen Behindertenrolle: die sprichwörtliche Betroffenheit, hier gibt es sie wohlfeil frei Haus.

Der Schauspieler stapft wie ein großes ungeschlachtes Kind durch den Film, eine Hand in die Latzhose gebohrt, die Brauen zu angestrengtem Verstehenwollen zusammengezogen; er plappert. Anders als die kalt brillierenden Hoffman und De Niro gibt Malkovich seiner Figur Wärme ein. Davon und von der Spannung, welche Katastrophe er als nächstes – unschuldigst – wieder hervorruft, lebt der Film.

Von der Darstellung Gary Sinises, der hier zugleich sein Regie- Debüt gibt, lebt der Film leider nicht. Sinise kommt vom Theater, und das ist seinem Spiel deutlich anzumerken. Er grimassiert und deklamiert und zerstört, was Malkovich in seinen besten Szenen verdichtet. Seine Regie ist solides Handwerk, Steinbeck mit korrekter Lakonie vom Blatt gespielt, mit einem Hang zu statischen Bildern, abgefilmtes Theater, das manche ob seiner vornehmen Zurückhaltung rühmen mögen. Kein schlechter Film, aber hausbacken. Marion Löhndorf

„Von Mäusen und Menschen“. Regie: Gary Sinise. Mit: Gary Sinise, John Malkovich, Ray Walston, Sherilyn Fenn. USA 1992, 100 Minuten.

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