: Susi goes Shopping
■ Kurzweiliger „Langer Samstag“
Kaufen und Klauen in Bayern kurz vor Weihnachten, in diese Szenerie gewachsener Volkskultur etabliert der Münchener Filmemacher und Kabarettist Hanns Christian Müller seine jüngste Komödie in einem Supermarkt.
„Langer Samstag“: Wie hypnotisierte Kaninchen raffen Kunden und Verkaufspersonal mit eingefrorener Festtagsmiene, was ihre Hände tragen können. Und ganz nebenbei trägt die angeschlagene Frauenbewegung mitten im Kaufrausch einen weiteren Kino-Sieg davon: bevölkern doch seit neuestem lauter starke Frauen die Leinwände. Chefs und Ehemänner sind out, es lebe die selbstbestimmte Weiblichkeit. Genauer gesagt: Frauen, die nicht länger Fastfood sind, sondern statt dessen in Frittenbuden arbeiten.
Nach Kellnerin Nora in Allison Anders' „Gas Food Lodging“ ist nun eine weitere Vertreterin dieser Zunft zu betrachten. Hanns Christian Müllers Susi Herzog (Gisela Schneeberger) ist allerdings viel fortschrittlicher als Allison Anders' Parademutter. Kinder sind auch out. Statt problemgeladener Adoleszentinnen hat die bayerische Seele vom Tankstellenimbiß am „Poldi-Markt“ zu Olching nur einen lahmen Angestellten und die Nachwehen einer Ehe am Hals sowie eine Nervensäge von Mutter, die es nach Weihnachtsgans, Zitronat und Mandelöl gelüstet.
Vom Regisseur eingesetzt, den Wahnsinn eines Konsumtempels karikieren zu helfen, ficht sie hektisch gegen den alltäglichen Streß und außergewöhnliche Unbill: Der schmierige Geschäftsführer des Einkaufszentrums, Schmude, kündigt ihr unvermittelt die Tankstellenpacht. Susis Existenz steht auf dem Spiel. Sie fahndet nach dem Grund für den plötzlichen Rausschmiß und gerät im „Poldi- Markt“ mit einer unbezahlten Fischbüchse in der Hand in die Fänge des Kaufhausdetektivs. Ins Sündereck geführt und gnädig freigelassen, stolpert sie über einen gleichfalls inkriminierten Punk namens Anton (alias Campino von den „Toten Hosen“). Der steht ihr fortan zu Seite – aber eben männlich ungeschickt und hochfahrend zugleich, wenn er loszieht, seiner neuen Freundin gegen die „Maßanzugträger“ im Konsumtempel zu helfen. An Susi ist es dann, die Suppe auszulöffeln – Frauen kommen eben derzeit ganz gewaltig.
Heillos überdrehte Typen gegeneinanderzusetzen ist Regisseur Müllers Patentrezept: kaum jemand, der im „Poldi-Markt“ nicht kleptoman und wichtigtuerisch durch die labyrinthischen Regalgänge hetzt. Geschäftsführer Schmude ist nicht nur ein Fiesling, sondern Schulden hat er auch und einen Plan für einen Raub. Anstatt die Kunden der ihm anvertrauten Filiale zu beaufsichtigen, inszeniert er einen Überfall auf die Poldi-Filiale, um sich die Tageseinnahmen des Geschäfts unter den Nagel zu reißen.
Devot, pflichtbewußt und treudoof dagegen Detektiv Theuerkauf, der aus Sachsen stammt, bei der Stasi war und immer die Falschen kascht: Das aktuelle Schicksal der Ostdeutschen rührte den Regisseur so sehr, daß er einem von ihnen die bedeutendste Nebenrolle seines Films zueignet und sie mit einem verdienten Satiriker der DDR besetzt. Jürgen Hart, Kabarettist und Texter der Leipziger „academixer“, spielt hingebungsvoll den depperten Untertanen, den niemand so recht ernst nimmt und der, ist er seines Postens beraubt, zum Steinerweichen erbärmlich dreinblickt.
Die Geschichte, die Hanns Christian Müller erzählt, ist dicht gebaut. Szenen überlagern sich mittels Einblendungen aus dem Off und wechseln in rascher Folge. Es gibt nichts, was der gebeutelten Protagonistin auf Anhieb gelänge, immer steht etwas im Wege – sei es ihr trotteliger Angestellter Markus (Ottfried Fischer) oder ein Verehrer, der sie in den Kaufhausüberfall verwickelt wähnt. Der Irrtum läßt sich jedoch klären, gen Ende des Tages herrscht eitel Sonnenschein: Existenz gerettet, Stasi vertrieben, Mann gefunden. Selbst die Einkaufsliste von Mama konnte abgearbeitet werden. Friederike Freier
Hanns Christian Müller: „Langer Samstag“. Mit Gisela Schneeberger, Campino, Jürgen Hart. Deutschland 1992, ca. 90 Min.
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