■ Mit der Autoindustrie auf du und du: Straßen ins Nirgendwo
Frankfurt/Main (dpa/taz) – Gestern Sonderschichten, heute Kurzarbeit, morgen Massenentlassungen – der Automobilindustrie geht es an den Kragen. Gesättigte Märkte, Kaufzurückhaltung im Inland und immer schwieriger werdende Exportmärkte haben die wichtigste deutsche Industriebranche auf eine rasante Talfahrt gebracht. Unter dem Strich, so hat das Münchener Ifo-Institut den Automobilbauern für das kommende Jahr prognostiziert, werden die Produktionszahlen um 7 Prozent zurückgehen. Mittelfristig wird die Branche rund 200.000 von derzeit 765.000 Arbeitsplätzen verlieren.
Obwohl die Branche nach sieben fetten Jahren auch in diesem Jahr wohl noch einmal einen Produktionsrekord mit gut fünf Millionen Kraftwagen aufstellen kann, liegen bei den Unternehmen bereits Pläne für Produktionspausen, Kurzarbeit und Personalabbau in den Schubladen. Ob Audi, Opel, Volkswagen oder Mercedes – nachdem die Sonderkonjunktur durch den ostdeutschen Nachfragesog endgültig vorbei ist, geht es bei allen Autobauern bergab. Rationalisierungen und Kosteneinsparungen sind nach Jahren mit Supergewinnen nun an der Tagesordnung: Innerhalb der nächsten Jahre soll mit einer schlankeren Produktion die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der ausländischen Konkurrenz, vor allem aber aus Japan, gefestigt werden.
In diesem Jahr dürften die bundesdeutschen Zulassungen um 15 Prozent auf 3,5 Millionen Personenkraftwagen zurückgehen. Für 1993 wird nur noch mit 3,2 Millionen verkaufter Autos gerechnet – gegenüber 4,16 Millionen im Rekordjahr 1991. Die Exportmärkte Frankreich, Italien, Großbritannien und Spanien sollten das Inlandsminus kompensieren, aber Währungsverluste von rund 15 Prozent haben die ohnehin schon teuren Schlitten aus Deutschland fast unverkäuflich gemacht. Und: Neue Steuern und Abgaben, Mineralölsteuererhöhungen und Autobahngebühren seien Gift für die Autokonjunktur, jault die Branche.
Die nächste Krisenrunde im weltweiten Konkurrenzkampf dürfte gnadenlos ausfallen: Nach einer Schätzung des Verbandes der Automobilindustrie werden bis 1995 noch einmal Kapazitäten von sechs Millionen Autos zur Disposition stehen. Die Experten erwarten einen verschärften Konzentrationsprozeß im internationalen Autogeschäft: Saab und Volvo sind schon bei General Motors und Renault gelandet. Und Fiat wird mit Toyota in Verbindung gebracht. es
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