Auf der Suche nach dem Pfirsichpo Von Kirsten Niemann

Wenn ich nicht schon immer stolze Besitzerin eines wohlgerundeten Gesäßes wäre, wünschte ich mir wahrscheinlich nichts sehnlicher als einen „Pfirsichpo“. Die Modellierung eines Knackarsches ist heutzutage natürlich kein Problem mehr. Eine Flut von Sport- und Fitneßcentern und immer „modernere“ Leibesübungen stiften zunehmende Verwirrung unter den Sportwilligen. Die amerikanische Turnlehrerin Callan Pickney z.B. lockte bereits in den Staaten mit ihrer neuesten Sporterfindung, der sie bescheiden den Namen „Callanetics“ gab. Sie verspricht „10 Jahre jünger in 10 Stunden.“ Oder: „Eine Stunde Callanetics hilft so viel wie 20 Stunden Aerobic“ – und den „Pfirsichpo“ gibt es obendrein. Kein Wunder also, daß der neue Gymnastikhit längst Europa erreicht hat und hier immer mehr Freunde findet.

Um dem allwinterlichen Schnupfen zu entkommen (!), machte ich mich auf die Suche nach einer neuen sportlichen Ertüchtigung, die nach Möglichkeit nicht so hektisch sein sollte wie Squash, so naß wie Schwimmen oder so albern wie Bauchtanz. „Callanetics“ ist, ließ ich mir sagen, eine äußerst statische Angelegenheit – für Sportmuffel also genau das Richtige. Selbst Kollege Karl (Lebensphilosophie: no sports!) schien interessiert. Wie sich später herausstellte, jedoch nur an meinem Pfirsichpo.

Nach der ersten Stunde war jedoch klar, daß Callanetics kein Spaziergang ist. Es schien mir eher mit Yoga vergleichbar zu sein. Zu sanften New-Age-Klängen geht es darum, die verschiedensten Muskeln anzuspannen und dabei kleine Bewegungen bis zu 100 mal hintereinander auszuführen. Man stelle sich beispielsweise mit gebeugten Knien an eine Fensterbank und halte sich an derselben fest. Dabei knicke man die Hüfte nach vorne, kneife die Pobacken fest zusammen und hebe dann, was die Schweinerei an der Übung ist, ein Bein in die Höhe und bewege es etliche Male nach hinten. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, kommandiert die Vorturnerin in einem fort: „Lächeln! Immer lächeln!“ Für Untrainierte, die vielleicht sogar an Übergewicht leiden, ist das unmöglich – vor allem sieht es ziemlich blöde aus.

Selbst meine geschätzte Gymnastiklehrerin ist realistisch und zweifelt mittlerweile an der Wirksamkeit der Turnübungen, da sie einfach viel zu schwierig für die durchschnittlichen Kursteilnehmer sind. „Im Grunde genommen ist das doch nur eine Sache für Ballettänzerinnen oder Leistungssportler“, gesteht sie, „die meisten wären mit Problemzonengymnastik viel besser bedient.“ Ähnlich sieht es Martina Hill, die für den Landessportbund Nordrhein- Westfalen Callanetics-Kurse leitet: „Es tut gut, aber es wirkt keine Wunder.“ Daran glaubt aber der Kundenkreis der Fitneßstudios, in denen diese Kurse angeboten werden. Es sind zumeist Frauen, die so ihre Pfunde loswerden wollen. „Callanetics ist Maximalarbeit, und deshalb nichts, was man Unsportlichen empfehlen sollte“, warnt der Kölner Sportwissenschaftler Dieter Lagerström.

Ich sehe das alles nicht so eng. Während ich stundenlang wie ein Storch im Salat auf einem Bein stehe, denke ich an Kollegen Karl und Arnold Schwarzenegger, der schließlich einmal gesagt hat: „Nur wenn's wehtut, hilft's auch!“