Ungewisse Zukunft für Mosambikaner

Antonio, einer von rund 20.000 ehemaligen Vertragsarbeitern der DDR, will auf jeden Fall in Deutschland bleiben/ „Beratungszentrum für ausländische MitbürgerInnen“ versucht zu helfen  ■ Von Bernd Pickert

Friedrichshain. „Ich hatte schon eine feste Anstellung in meinem Beruf zugesichert. Doch dann wollte die Firma die Aufenthaltsgenehmigung sehen – das war's.“ Vor zwölf Jahren war Antonio nach Deutschland gekommen. Zusammen mit fünfzig anderen Mosambikanern aus seiner Heimatgegend hatte der damals 20jährige in Karl-Marx-Stadt in einer Baumwollspinnerei zu arbeiten begonnen.

Er ist einer von insgesamt 100.000 VertragsarbeiterInnen, die in der damaligen DDR beschäftigt waren. 1984 mußte er zurück nach Mosambik – das Militär rief ihn zum Wehrdienst. Seit 1987 ist Antonio wieder in Deutschland. In Berlin arbeitete er als Techniker bei den Kabelwerken (KWO), machte seinen Meister. Mit der Wiedervereinigung wurde alles anders; Antonio wurde arbeitslos, bekam eine Umschulung, ist nun wieder arbeitslos. Zusammen mit seiner deutschen Freundin lebt er in einer Zweizimmerwohnung in Ostberlin.

Seine Zukunft ist so ungesichert wie die der meisten ehemaligen VertragsarbeiterInnen, die noch hier sind. Das sind etwa 20.000, und alle kämpfen um Arbeit, vor allem aber um das Aufenthaltsrecht. Antonio will auf jeden Fall in Deutschland bleiben, in Mosambik sieht er für sich keine Zukunft. Zwar schreibt ihm seine Familie ängstliche Briefe, seit die Bilder von Rostock um die Welt gingen. „Jede Mutter hätte Angst um ihren Sohn“, sagt Antonio, „aber meine Familie muß verstehen, daß ich die Hälfte meiner Entwicklung hier gemacht habe – ich will bleiben.“ Angst hat auch er. In die Disco wie früher, das macht er schon lange nicht mehr. „Wenn wir weggehen, dann setzen wir uns in unser Schrottauto und fahren zu Freunden.“

Wie viele andere ehemalige VertragsarbeiterInnen sucht Antonio Hilfestellung im »Beratungszentrum für ausländische MitbürgerInnen« in Friedrichshain. Dort am Kaffeetisch sitzt auch Alex, der 1983 aus Mosambik in die DDR kam. Er arbeitete zunächst bei Senftenberg in einem Braunkohlewerk, machte dort eine Ausbildung als Betriebsschlosser. 1986 kam er nach Hoyerswerda. Dort war er auch noch, als die Stadt 1991 durch die Pogrome gegen AsylbewerberInnen zu trauriger Berühmtheit gelangte. Wie das für ihn war? „Was für eine Frage,“ lacht er, „das war unerträglich!“ Nach den Pogromen verließ Alex Hoyerswerda und ging nach Berlin zur Umschulung.

Heute ist auch Alex arbeitslos. Seine Aufenthaltsgenehmigung läuft im April nächsten Jahres aus, dann droht die Abschiebung. Für Alex ist klar, daß er nicht für immer hierbleiben will, „selbst deutsche Freunde überlegen doch schon, das Land zu verlassen.“ Aber ein paar Jahre würde er gerne noch hierbleiben und Geld verdienen, um sich zu Hause eine neue Existenz aufbauen zu können.

„Es gibt mehr schlechte als gute Deutsche, vor allem in den Behörden“, sagt Alex. „Überall spürst du, daß du unerwünscht bist.“ Trotz des breiten Lächelns, mit dem Alex seine Erzählung begleitet, ist die Verbitterung unüberhörbar. „Was würdest du sagen, wenn du neun Jahre lang in Mosambik hart gearbeitet hättest, und plötzlich käme die Ausländerbehörde und befiehlt dir, noch sechs Monate, dann mußt du raus?“

Alex ist sich sicher, daß die Ausländerfeindlichkeit nichts mit den sozialen Problemen der Deutschen zu tun hat. „In Malawi, wo viel mehr Flüchtlinge aus Mosambik sind, habe ich nie den Satz gehört ,Das Boot ist voll.‘ Und das Land ist viel ärmer als Deutschland.“ Alex hat Rassismus am eigenen Leibe erlebt. In Eberswalde, wo er an einer Demonstration anläßlich des Todes von Amadeu Antonio teilnahm, suchte er mit anderen Mosambikanern in einem Hauseingang Schutz, als die Krawalle begannen. „Hat nichts genützt, die Polizei hat einen Hund auf uns gehetzt.“ Der Hund biß ihn ins Bein, doch Anzeige mochte Alex nicht erstatten. „Hier ist doch sowieso alles Unrecht, was soll ich da eine Anzeige erstatten?“ Die anderen, die mit am Tisch sitzen, kennen die Geschichte. Gelächter breitet sich aus, Überlegungen, wie man wohl eine Anzeige „gegen einen unbekannten Hund“ hätte formulieren sollen. Da wird Alex wieder ernst: „Der Hund war nicht alleine. Da war ein Polizist dabei, der halt ein paar Neger gesehen hat.“

Die deutschen und ausländischen MitarbeiterInnen des Beratungszentrums können oft nur wenig tun. Zwar geben sie Hilfestellung bei Behördengängen, aber eine Aufenthaltsgenehmigung können auch sie niemandem verschaffen, ebensowenig einen Wohnberechtigungsschein oder einen Arbeitsplatz. So ist das Zentrum für viele eine wichtige Anlaufstelle, doch die Ratlosigkeit über die eigene Zukunft bleibt. Ich frage Antonio, was er machen würde, wenn er zurück müßte. „Was würdest du denn machen?“ gibt er zurück. Ich gebe zu, ich weiß es nicht. „Siehst du“, sagt er, „so ist das.“

Das »Beratungszentrum für ausländische MitbürgerInnen e.V.« ist in der Neuen Bahnhofstraße 19, O-1035 Berlin (S-Bahn Ostkreuz, Ausgang Sonntagstraße, U-Bahn Frankfurter Allee, Straßenbahn 13 und 21), Tel. 5891142. Öffnungszeiten: Montag, Mittwoch und Freitag 11 bis 16 Uhr, Donnerstag 11 bis 17 Uhr.