Rundschlag

■ betr.: "Verrat auf akademisch" von Ekkehart Krippendorff, taz vom 26.10.92

betr.: „Verrat auf akademisch“ von Ekkehart Krippendorf,

taz vom 26.10.92

Der Nachruf, den Du Deinem von Dir ungeliebten, und nun unter Spionageverdacht festgenommenen Kollegen Hanns-Dieter Jacobsen hinterhergeschleudert hast, war mies. Und wenn Du ihn zehnmal nicht im Fachbereich wolltest und in der Berufungskommission gegen ihn gestimmt hast, dies war jedenfalls nicht der Moment, es beifallheischend und rechthaberisch – wenn nicht aus noch dubioseren Motiven – in die Zeitung zu bringen.

Dein Rundschlag gegen alle diejenigen Kollegen, die nicht Deinen Weg gewählt haben, weil sie weder das „Genie“ noch das „Schwein“, vielleicht auch einfach kein Interesse hatten, auf dem beamteten Posten eines deutschen Hochschullehrers zu landen, war auch nicht viel besser. Ist man schon ein Verräter an der Wissenschaft, wenn man das, was man bei diesem Geschäft herausbringt, nicht den Studenten, sondern der Bundesregierung mitteilt? Das betrifft auch Deine Auslassungen über die Stiftung Wissenschaft und Politik, an der Kollegen sitzen, die Dich aus früheren Tagen kennen und schätzten. [...]

Es ist wohl bekannt, daß die Stiftung Wissenschaft und Politik keine besonderen Kooperations- Beziehungen zum BND hat, und daß die Masse seiner fast 50 WissenschaftlerInnen keinerlei Austausch mit dem BND pflegt. Davon gibt es Ausnahmen, die das fachbedingt oder aus persönlichem Interesse tun; aber mindestens ebenso viele wird es auch an Berliner politologischen und auslandskundlichen Fachbereichen geben. Wenn Du diese Tatsache schon nicht kanntest, die man der einschlägigen Literatur entnehmen kann, dann hättest Du ja nur einen der Dir bekannten Kollegen hier anrufen können, zum Beispiel mich, um Dich zu informieren. Man glaubt es fast nicht, wie leichtfertig der Verfechter der reinen und um Objektivität bemühten Wissenschaft, als der Du Dich in der taz präsentierst, uns ebendort das linke Stammtisch-Vorurteil vom BND-Institut um die Ohren haut, ohne größere Rücksichten zu nehmen. Dr.Christian Deubner,

Stiftung Wissenschaft und

Politik, Ebenhausen

In seinem Kommentar über den Stasi-Verdacht gegen den FU-Professor Jacobsen befaßt sich der FU-Professor Krippendorf mit Fragen der wissenschaftlichen Moral. Er blickt dabei von den Höhen der „ehrlichen, bescheiden-unbescheidenen Wahrheitssuche“ in das unübersichtliche Gelände wissenschaftlicher Selbst- und Fremdregulierung und stellt Kolleginnen und Kollegen, die sich seiner Wertung nach an der „Peripherie der Mächtigen“ bewegen oder noch ins „Establishment als Wasserträger der politischen Klasse“ hochrobben wollen, unter den Generalverdacht der Kollaboration mit „Herrschaftsinteressen“, der „Macht“ und „den Mächtigen“.

Dies beunruhigt den Professor Krippendorf, obgleich er aus der bequemen und zeitlos validen Position einer unpräzisen Herrschaftskritik auch gelassen bleiben könnte, wenn es denn stimmt, daß die Kollaborateure mit der Macht „in der Regel vergleichsweise intellektuell eher bescheiden ausgestattete Figuren“ sind.

Ekkehart Krippendorf übersieht – oder verschenkt – dabei die jetzt eigentlich wesentlichen Fragen:

–Was sind in einer Zeit des Systemwechsels, langanhaltender Transformationen, wechselnder Eliten, offener politischer und sozialer Konfigurationen in Osteuropa dort denn „Herrschaftsinteressen“?

–Ist den Intellektuellen der Nachkriegs-Linken in einer europäischen Landschaft, in der sich allen Prognosen und Weissagungen über „Ende der Geschichte“, anhaltende Integrationsprozesse, gesicherte Einbindung Deutschlands nach außen und Stabilität nach innen zum Trotz so tiefe Verwerfungen abzeichnen wie seit 1913 und 1933 nicht mehr gekannt – ist es uns da möglich, aus Enttäuschungen und Verlustängsten heraus die Klagerrolle fundamentalistischer Denunzianten der Macht einzunehmen? Ich denke, ja. Ist das aber eine politisch überzeugende Haltung? Mir scheint jeden Tag mehr – nein.

–Ist es denn aber, wenn alles doch so einfach nicht ist, zulässig, Kollegen, darunter auch solche, die sich persönlich kennen, des „akademischen Verrats“ zu bezichtigen, wenn sie sich vielleicht oft nur und unvollkommen gewiß bemühen, ein Minimum an Rationalität und Steuerbarkeit in der „offiziellen“ Politik und in den Medien zu behaupten und zu verteidigen?

Ich bin gespannt, wie Krippendorf zeigen will, ich und andere Kollegen, seien zu „flankierenden Ideologen von Regierungsinteressen“ geworden. Ich fordere ihn hiermit auf, dies zu belegen. Persönlich betrübt bin ich darüber, daß er das Institut, in dem ich arbeite (und gewiß mit einer Portion Distanz wie auch gegenüber früheren, „akademischen“ Arbeitgebern), als „BND-Stiftung Wissenschaft(!) und Politik“ bezeichnet. Wenn dem so wäre, würde ich nicht hier arbeiten. Aber durch solch falsche, unsinnige und wichtigtuerische Epitheta setzt Ekkehard Krippendorf Gerüchte in die Welt, denen zu begegnen nun ein wohl nicht unbeträchtlicher Teil meiner (leider auch nicht besonders großzügig honorierten) Arbeitszeit gewidmet werden muß, den ich lieber der sehr bescheidenen Suche nach Interpretationsankern in einer uns alle überfordernden Realentwicklung und dem Nachdenken über mögliche Wellenbrecher gegen künftige Gewaltausbrüche, wilde Grenzveränderungen, Menschenverschiebungen, Waffeneinsätze und die um all dies gewundenen ideologischen, nationalistisch-fundamentalistischen Girlanden gewidmet hätte. Der Streit über die alte Frage – Denunzieren oder Intervenieren, und in beiden Fällen: wie, wofür, mit wem –, der soll geführt werden. Aber sauber sollte er bleiben. Dr.Klaus Segbers,

Stiftung Wissenschaft und

Politik, Ebenhausen