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Als die PKK mit Iraks Geheimdienst kooperierte

■ Dokumente irakischer „Sicherheitsdienste“ belegen die Zusammenarbeit

Für Unmut sorgte ein taz-Artikel, der am 22.September unter dem Titel „Gespaltenes Kurdistan“ erschien. Denn einige PKK- freundliche Gemüter erhitzte die Erwähnung von Papieren des irakischen Geheimdienstes. Die Dokumente, die nach Angaben irakischer Kurden während ihres Aufstandes im Frühjahr 1991 in den Geheimdienstbüros von Zakho und Dohuk beschlagnahmt wurden, geben Auskunft über die Zusammenarbeit zwischen irakischen „Sicherheitsbehörden“ und der kurdisch-türkischen PKK im Herbst 1990. In den letzten beiden Ausgaben des Kurdistan-Rundbriefs verdächtigte uns das „Kurdistan Komitee“ (die halboffizielle PKK-Vertretung in der BRD), die Papiere entweder nicht zu besitzen oder einer „amateurhaft erstellten Fälschung“ aufgesessen zu sein.

Kopien von fünfzehn Seiten arabischsprachiger Dokumente liegen der taz vor. Einige tragen den Briefkopf der „Leitung des allgemeinen Sicherheitsdienstes“ und das Staatswappen des Irak. Stempel, Unterschriften und Inhalt sprechen gegen die Fälschungsthese. Es handelt sich um Berichte und Anordnungen verschiedener irakischer Geheimdienststellen. Die meisten Dokumente tragen den Vermerk „geheim, persönlich und nur eigenhändig zu öffnen“ und die Anweisung, „handschriftlich zu korrespondieren und keine Schreibmaschine zu benutzen“. Offenbar sollte keine Schreibkraft mit dieser Korrespondenz betraut werden.

Laut den Papieren baten die PKKler Iraks Geheimdienst um Schutz, Nahrung und Waffen. Sie sollten die irakisch-türkische Grenze unbehelligt passieren und sich im Irak aufhalten dürfen. Iraks Behörden erhielten Weisung, „dieses Vorgehen mit höchster Vorsicht zu behandeln“ und „abzuwägen zwischen einer Provokation der türkischen Seite und guten Beziehungen zu der Organisation“.

Am 27.10. 1990 wurde auf Briefpapier der „Direktion des allgemeinen Sicherheitsdienstes der autonomen Region“ [gemeint ist Irakisch-Kurdistan, d.Red.] handschriftlich notiert: „Die Direktion des allgemeinen Sicherheitsdienstes hat uns in ihrem Schreiben (...) vom 18.10. 1990 informiert, daß sie von den nachrichtendienstlichen Organen informiert wurde, daß die Sicherheitsdirektion in Zakho mit der türkischen Parteiorganisation PKK Kontakte pflegt und es bereits mehrere Treffen gab.“ Weitere Kontakte zu der Gruppierung sollten „routinemäßig“ von einem Geheimdienstler gehalten werden, „der Ihnen noch namentlich genannt wird“. Das Schreiben ging mit der Bitte um Kenntnisnahme an die Leitungen der Sicherheitsdienste in Arbil und Süleymania. Am 8.10. 1990 schrieb der Oberleutnant des Sicherheitsdienstes von Amadiya über ein Treffen zwischen zwei PKKlern und irakischen Geheimdienstleuten vom Vortag: „Der Betreffende heißt Genosse Baran Ahmad und ist für den Abschnitt Hakkari zuständig. Er ist führendes Mitglied der Partei und hat direkte Verbindungen zu Parteisekretär Abdullah Öcalan. Er wurde von einem Parteimitglied namens Genosse Ali Raho begleitet, einem syrischen Kurden. (...) Der Genannte erklärte die Bereitschaft zu Folgendem: Verhindern der Anwesenheit von Terrorgruppen auf dem von ihnen kontrollierten Territorium. (...) Unterbinden von Unterstützung an die Terrorgruppen. (...) Informieren der Mitglieder dieser Terrorgruppe über die Hintergründe der Anhänger von Barzani und über ihre Beziehungen zum Imperialismus und zum Zionismus.“ „Terrorgruppen“, „Verbrecher“, „Verräter“ und „Banden“ sind in den Papieren regelmäßig auftauchende Bezeichnungen für die irakisch-kurdischen Peschmerga. Es folgen detaillierte Angaben der PKKler über Aktivitäten der alliierten Truppen in der Türkei. Weitere Gesprächsthemen waren laut dem Bericht „die Ausweitung der Beziehungen auf höherer Ebene“ sowie „die zur Verfügungstellung von Druck- und Kopiermaschinen und Geschützen des Kalibers 60 Millimeter, auch gegen Geldbeträge, welche die Partei zu zahlen bereit ist“.

Den Papieren zufolge unterstützte türkisches Militär wenige Monate vor dem zweiten Golfkrieg die Peschmerga bei Versuchen, aus der Türkei in den Irak einzudringen, um dort Sabotageaktionen durchzuführen. Der irakische Geheimdienst wiederum engagierte die PKKler, um dies zu verhindern. Am 23.9. 1990 wurde im Büro des irakischen Sicherheitsdienstes in Zakho ein Bericht über ein Geheimdiensttreffen mit PKKlern verfaßt. Darin ist von Befehlen an alle „Kämpfer der Arbeiterpartei im Irak und in der Türkei“ die Rede, Versuche der irakisch-kurdischen „Verräter, auf irakisches Territorium vorzudringen, zu unterbinden“. „Eine Bande der Verräter unter der Führung des Verbrechers Mohammed Khaled al-Boussili“ habe mit Hilfe der türkischen Armee versucht, in den Irak einzudringen. „Die Kräfte der Partei stießen mit ihnen zusammen und verhinderten den Versuch.“ Die PKKler berichteten dem irakischen Geheimdienst, daß „die Bande des Verbrechers Massud al-Barzani versucht, die Flüchtlinge aus dem Lager in Diyarbakir anzuwerben, zu bewaffnen und in den Irak zu schicken“. In dem Lager lebten aus dem Irak in die Türkei geflohene Kurden. Trotz dieser Kontakte scheint das Verhältnis zwischen PKK und irakischem Geheimdienst eher instrumentell als herzlich gewesen zu sein. Ausdrücklich wird vor den Kontakten der PKK zu irak-feindlichen Geheimdiensten gewarnt. In einem Schreiben der „Direktion des Sicherheitsdienstes der Provinz Dohuk“ vom 15.10. 1990 heißt es in Beamtenarabisch: „Wir glauben, daß sich die Bereitschaft der Mitglieder der Arbeiterpartei zur Kooperation mit uns damit erklären läßt, daß ihre Verantwortlichen eine (entsprechende) Anweisung gegeben haben (...), mit dem Ziel, (...) materielle Hilfe zu erhalten, die ihnen die Anwesenheit in unserem Lande sichert, oder auch als Versuch, unsere Strategien in der Nordregion und die Stärke unseres Militärs in Erfahrung zu bringen. (Letzteres) zeigt unserer Meinung nach ein Ineinandergreifen mit der Tätigkeit der türkischen Sicherheitsorgane und Nachrichtendienste, das sich aus den Beziehungen einiger Mitglieder der genannten Partei mit diesen erklärt.“

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