: Üble Gedanken im Topf gebannt
Erste Ausstellung der cubanischen Fotografin ■ Marta Pérez
in Hamburg
Die Fotokunst der Marta Pérez aus Cuba befaßt sich mit dem eigenen Körper, ihrer Schwangerschaft und ihrer Beziehung zu ihren Kindern. Doch es ist kein Beispiel von Frauenkunst, vielmehr behandelt
sie das Eingebundensein eines Individuums in die Kette der Traditionen. Zwar liegt ihr in einem der inszenierten Fotos die Bürde der Frau wie ein Stein auf dem Kopfe, doch neben dem sozialen Aspekt der Mutterschaft sind in ihrer Arbeit vor allem mythische Verweise angesprochen.
Der Bezugspunkt ihrer Fotos sind die afrocubanischen Kulte, die durch die Verschleppung von mindestens zehn Millionen Westafrikanern nach Amerika dort entstandenen Religionen. Ahnenkult, Götter und Wirkkräfte der Natur verschmelzen zu Geistwesen, den Orixas. Diese gliedern sich in sieben, den Wochentagen zugeordneten, Hauptgötter und eine große Zahl von Hilfskräften, die zur Tarnung mit den Heiligen des Katholizismus verschmolzen wurden. Zusammen mit indianischen Einflüssen und Gedanken des europäischen Spiritismus entstand eine neue Weltreligion, deren Einfluß ständig wächst.
Allein in der brasilianischen 15-Millionen-Stadt Sao Paulo sind schätzungsweise bereits ein Drittel der Einwohner Anhänger dieser Kulte, die in der ganzen Karibik, in Nordamerika und selbst bei uns praktiziert werden. Auch Cuba befindet sich in einer Umbruchphase, in der bisher verfolgte Kulthandlungen plötzlich zum offiziellen Staatsakt werden können, wie jüngst beim letzten Lateinamerikanischen Filmfestival.
Das spezielle Thema der Marta Pérez sind ihre Zwillinge. Diese haben in den afroamerikanischen Kulten eine besondere Bedeutung. Los Ibellis, wie sie auf spanisch heißen, stehen für die Dualität des Universums. Ihre katholische Entsprechung sind die römischen Ärzte und Märtyrer SS. Kosmas und Damian. Doch die Vorstellung einer
universalen Zwillingskraft ist noch viel älter: Kastor und Polydeukes sind die Zwillinge der griechischen Mythologie, die je einen Tag auf dem Olymp und einen im Hades verbringen.
Marta Pérez setzt die hier angedeuteten Kontexte in ihrer Kunst um. Sie ist keine Praktikantin des Kultes, hat sich jedoch respektvoll versichert, nichts gegen die Orixas zu machen. Ihre Arbeit als Ganzes ist
nicht voyeuristisch, genausowenig, wie ihre Fotos zu voyeuristischen Blicken einladen. Marta Pérez hat in der Ausstellung auch einen echten Santeria-Altar aufgebaut, darü-
ber hinaus hat sie ein eigenes Ritual erfunden: In einem schwarz verhangenen Kasten zeigt sie die Wirkung übler Gedanken und sperrt sie in einen heiligen Topf.
In einer weltweiten Wanderung der Gedanken, für deren Ergebnis
eine chilenische Künstlergruppe das schöne Wort vom universalen kulturellen Mestizentum eingeführt hat, kommt so aus Lateinamerika eine Kraft zurück, die die Büchse der Pandora, aus der vor Urzeiten alles Übel kroch, wieder verschließen will. Hajo Schiff
Galerie Basta, Großheidestr.2, Di.+Mi. 17-20, Do. 17-21 Uhr, Ausstellungsgespräch Mi. 11.11. 20 Uhr, bis 26.11.
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