piwik no script img

Anklage wußte alles

Gauger/Andresen Prozeß:  ■ Staatsanwältin verschwieg Entlastendes

Im Itzehoer Landgerichtsprozeß gegen die Rote-Flora-Aktivisten Knud Andresen und Ralf Gauger ist gestern eine Bombe geplatzt: Die Staatsanwältin Heike Roitsch von Almeloe hat entlastendes Aktenmaterial unterschlagen, damit ihre Mordanklage nicht baden geht. Das kam bei der Vernehmung des Hamburger Staatsschützers Hans-Joachim Wenske heraus.

Wenske war damals Vorgesetzter der vier Fahnder, die die beiden Angeklagten im Rahmen einer Observation am 29. Juli 1991 dabei beobachtet haben wollen, wie sie Betonplatten auf eine Zugstrecke in Pinneberg gelegt haben. Diese Angaben des Observationstrupps führten nicht nur zur Verhaftung der beiden Autonomen, sondern brachten ihnen auch sechs Monate Untersuchungshaft wegen „Mordversuchs“ ein.

Was die Staatsanwältin damals verschwieg: Unmittelbar nach dem Ereignis suchte Wenske gemeinsam mit der Anklägerin den „Tatort“ auf. Dabei habe er ihr gesagt, so der Staatsschützer gestern, daß Gauger/Andresen wohl nach Pinneberg gefahren seien, um die an der Flora-Park-Bebauung beteiligte Firma G+K aufzusuchen. Auch habe Wenske der Staatsanwältin unmißverständlich deutlich gemacht, daß es bei der Staatsschutz- Leitung Zweifel an der Fahnder- Version gebe, weil die „linksradikale Szene“ derartig unmotivierte Anschläge nicht durchführe. Er habe sich das Ganze nur als „Dummerjungenstreich“ erklären können. Ferner: Es habe eine Verwechslung vorgelegen.

Von diesen Angaben befindet sich in der Anklage kein Wort. Aus gutem Grund: Denn wenn sowohl ein Vorsatz fehlt, als auch der Chef des Observationstrupps die Angaben seiner Fahnder in Zweifel zieht, wäre die Mordanklage frühzeitig den Bach runtergegangen, der Haftbefehl aufgehoben worden.

Noch während der Vernehmung Wenskes forderte die Verteidigung

1gestern die sofortige Ablösung der Anklägerin, sie soll nun in den Zeugenstand gerufen werden. Zudem erwägen die Anwälte einen Strafantrag wegen Freiheitsberaubung. Die Staatsanwältin gestern: „Ich möchte mich in dieser Atmosphäre nicht äußern.“ kva/fre

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen