Ohne Arbeit keine Sozialhilfe

Sozialamt: Hilfeempfänger sollen sich  ■ täglich fünfmal bewerben

, sonst wird Geld gestrichen / Arbeitsmarkt sei entspannt

Hamburgs SozialhilfeempfängerInnen sehen härteren Zeiten entgegen. Mit dem Hinweis auf die verbesserte Arbeitsmarktlage wird ihnen immer häufiger mit der Kürzung oder völligen Streichung der „Sozi“ gedroht. So wurde im Ortsamt Rahlstedt ein Mann aufgefordert, sich täglich mindestens acht Stunden um Arbeit zu bemühen.

Fünf Bewerbungen am Tag sollte der Arbeitslose auf einem Formblatt nachweisen, sonst werde die „Sozialhilfe zum Monatsende eingestellt“. Peter M. (Name geändert) bekam die neue Gangart noch schärfer zu spüren. Ihm wurde seit geraumer Zeit die niedrige Arbeitslosenhilfe durch Sozialhilfe aufgestockt. Von seiner Sachbearbeiterin wurde er im vergangenen Monat aufgefordert, seine Arbeitswilligkeit durch eine Schicht als Hilfsarbeiter im Hafen zu dokumentieren. Peter M.s Erwiderung, das könne er nicht, er sei doch kein Hafenarbeiter, hatte böse Konsequenzen. Die Sozialhilfezahlungen wurden sofort eingestellt. Über seinen Widerspruch wurde noch nicht entschieden.

Zumindest für die Sachbearbeiter in Rahlstedt ein normales Vorgehen. „Wir stützen uns auf die Rechtsprechung der Hamburger Verwaltungsgerichte“, erläuterte ein Mitarbeiter der Dienststelle auf Nachfrage. Und deren Urteile würden immer deutlicher ausfallen. Nach der Auffassung der Juristen sei die Arbeitsmarktlage so gut, daß jeder innerhalb kürzester Zeit Arbeit finden könne. „Wir setzen hier einen realistischen Zeitraum von drei Tagen für die erfolgreiche Jobsuche an“, so der Sachbearbeiter. Der Nachweis von einer Bewerbung täglich erfülle nicht ihre Anforderungen und reiche für die Zahlung der Sozialhilfe nicht aus, „fünf Stück sollten das schon sein“.

Den Straßensozialarbeitern in Rahlstedt ist dieses behördliche Verhalten nicht neu: „Hier laufen seit dem Sommer viele Leute rum, die ihr Geld zusammengestrichen bekommen haben“, so ihre Beobachtungen. Nach dem Sozialhilfegesetz (BSHG) können Leistungen um 20 Prozent oder sogar gänzlich gestrichen werden, wenn der Hilfesuchende sich weigert, zumutbare Arbeit anzunehmen.

Auch in der Sozialbehörde vertrete man die Auffassung, so Sprecherin Brigitte Eberle, daß bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage mehr Druck auf die Sozialhilfeempfänger ausgeübt werden könne. Von den rund 78000 deutschen HilfeempfängerInnen, schätzt sie jedoch, könnte wohl wegen Alter, Krank-

1heit oder Kindererziehung höchstens die Hälfte einen Job annehmen. Die Anforderung, sich täglich acht Stunden am Tag zu bewerben, gebe es aus der Behörde aber nicht.

1Noch im April hatte die GAL in einer Anfrage vom Senat wissen wollen, was er von der Praxis hielte, nach der drei Bewerbungen pro Woche von Sozialhilfeempfängern nachgewiesen werden müssen.

1Die Antwort lautete damals: „Der Senat geht davon aus, daß eine Vorgabe, die Arbeitsbereitschaft durch drei Bewerbungen pro Woche zu dokumentieren, generell unangemessen wäre.“ Sannah Koch