Cowboys für die Vorstadt

„Head-Acts“, „Hair-Acts“ und „Common Men“: Der Country-Boom in den USA hält an  ■ Von Jörg Feyer

Wer heute in Nashville das Stichwort „Urban Cowboy“ fallen läßt, muß damit rechnen, daß sein Gegenüber die Stirn runzelt. Mindestens. Und verständlicherweise: Wer läßt sich schon – zumal als unmittelbar Beteiligte/r – gern an eine Ära erinnern, die für den Ausverkauf einer großen Musiktradition steht?

Eine runde Dekade, nachdem John Travolta die zweifelhafte Ehre zuteil wurde, im gleichnamigen Film Trendsetter spielen zu dürfen (als Macho auf einem mechanischen Bullen), herrscht allerdings so eitel Sonnenschein wie nie zuvor in der Country-Metropole am Cumberland River in Tennessee. Nicht nur, weil Superstars wie Garth Brooks oder Billy Ray Cyrus längst mehr Platten verkaufen als Bruce Springsteen und Prince zusammen. Auch hinter der ersten Reihe liegt eine Vielzahl smarter Talente in Lauerstellung. Sie alle haben dazu beigetragen, daß in diesem Jahr zeitweilig bis zu 35 Country-Platten in der offiziellen Pop-Top 200 der Branchenbibel „Billboard“ vertreten waren (was allerdings auch ein Verdienst des neuen „SoundScan“-Systems ist, das die Chart-Plazierungen näher an den tatsächlichen Verkaufszahlen ermittelt als die alten, oft willkürlichen Händlerumfragen).

Auch wenn hierzulande kaum jemand Kenntnis davon nimmt: Country boomt in den USA auf beispiellose Weise. Über 2.500 Radiosender (mehr als ein Viertel der Gesamtzahl) spielen Country- Songs. Damit liegt dieses Format auf dem dritten Platz, hinter „adult contemporary“, aber noch vor „Top 40“ oder „Classic Rock“. Der Kabelkanal TNN („The Nashville Network“), der seine Kundschaft von neun Uhr morgens bis zwei Uhr nachts mit Country-Entertainment versorgt, erreicht stolze 54 Millionen (und damit 91 Prozent der) US-Kabelhaushalte – beim Sendestart anno 1983 waren es gerade mal (damals beachtliche) sieben Millionen.

Was Wunder, daß Country auch für die Werbeindustrie so attraktiv ist wie nie zuvor. Jungstars wie Trisha Yearwood oder Mark Collie können Sponsoren-Verträge abräumen, die hierzulande nur Steffie Graf oder Lothar Matthäus angedient werden. Was so anders und besonders ist an dieser neuen Begeisterung für eine althergebrachte Musik, beschreibt zunächst eimal Bob Saporiti, Vize- Präsident beim Plattenmulti Warner Brothers in Nashville. Der sagt ganz richtig: „Dieses Crossover hat Integrität, weil die Künstler es zu ihren Bedingungen geschaffen haben. Vor zehn Jahren kam die Musik zu den Leuten – heute kommen die Leute zur Musik.“

Fragt man nach tieferen Gründen für diese Entwicklung, so landet man irgendwann doch wieder bei Travoltas „Urban Cowboy“. Es war die Zeit, als selbst der gemeine Banker oder Lawyer aus New York plötzlich in schicken Western-Klamotten nach dem Saturday Night-Fever fahndete, die Zeit, als Songs, die man kaum noch Country nennen mochte, bewußt „poppig“ produziert wurden, um damit ein größeres Publikum zu ködern. Die große Ernüchterung kam schnell. Als die Hip-Strategen sich auf den nächsten Trend stürzten, hatte die Country-Welt kaum wirklich neue Fans hinzugewonnen, aber alte verprellt. Diese beklagten, nicht ganz zu Unrecht, „ihre“ Musik sei um einer Mode willen verraten und verkauft worden.

„Die Musik war tot“, erinnert sich der Songschreiber Kevin Welch, und erst langsam kam es zu einem Selbsterneuerungsprozeß. Diesmal verlief er zweigleisig. Einerseits bekamen endlich traditionell orientierte Künstler wie Ricky Skaggs, George Strait oder das Mutter-Tochter-Duo The Judds, zuvor noch milde als „altbacken“ belächelt, eine Karrierechance. Zum anderen trat um 1985/86 eine neue Generation an, von der einige heute zu den mächtigsten Leuten des „neuen“ Nashville gehören. Allen voran wohl Tony Brown, heute Vize-Präsident bei MCA. Der ehemalige Elvis-Presley- bzw. Emmylou-Harrist-Pianist „war einfach klug genug, die Verschiebungen in der Demographie wahrzunehmen“, wie der Session-Veteran Steve Gibson sieht. Brown erkannte, „daß es da draußen nicht nur den herkömmlichen Country- Konsumenten gibt, sondern auch jede Menge Leute, die mit Cream oder Crosby, Stills, Nash & Young großgeworden sind – und die nach wie vor das Bedürfnis haben, gute akustische Musik mit guten Texten zu hören“. Lyle Lovett oder Nanci Griffith, vermutet Gibson, „wären noch vor 15 Jahren als Pop-Act durchgegangen – so wie Joni Mitchell oder Jackson Browne. Als Folge demographischer Veränderungen haben wir die Grenzen dessen, was gemeinhin Country-Musik genannt wird, ein bißchen großzügiger gezogen als in der ,Grand Old Opry‘.“

Leicht hatte es diese neue Generation trotzdem nicht. Von Brown protegierte Künstler wie Griffith, Lovett oder auch Steve Earle sind längst zur L.A.- oder New-York-Division ihrer Plattenfirma abgewandert, weil sie nicht in die bisher ausschließlich aufs konservative Country-Radio zielende Marketing-Schablone in Nashville paßten. Die eher traditionell orientierten Newcomer dieser Phase – auch in Anspielung auf die obligatorische Kopfbedeckung „Hat-Acts“ („Hair-Acts“ ähneln eher dauergewellten Heavy-Metal-Rockern, spielen aber Country Pop) genannt – machten kommerziell eindeutig das Rennen. Allen voran Randy Travis, ein geläuterter „Boy Next Door“ aus North Carolina mit wüster Suff- und Prügel-Biographie und einer sanft- warmen Bariton-Stimme, die schon für Millionenverkäufe gut war, als Garth Brooks daheim in Oklahoma noch davon träumte.

Die Traditionalisten setzten sich also auf die Dauer wieder durch. „Die Tür“, so Kevin Welch rückblickend, „fiel schneller wieder ins Schloß, als ich dachte.“ Doch „die kleine Jeannie war schon aus der Flasche geschlüpft“. Nachdem Country durch eine Experimentierphase gegangen war, konnte er nie mehr sein wie zuvor. Die Öffnung für andere musikalische Einflüsse hatte zu einer künstlerischen Bandbreite geführt, die von Oldtimern wie George Jones bis zu modernen Singer/Songwriter-Ladies wie Mary Chapin Carpenter reicht (um dem Angebot gerecht zu werden, gibt es gegenwärtig sogar Überlegungen, Country-Radio in zwei Formate aufzusplitten – eins für die traditionelle Fraktion, das andere für stilistische Grenzgänger, die bisher im Äther fast radikal ausgegrenzt wurden). Überdies hatten sich die Künstler in dieser wichtigen Periode auch eine kreative Kontrolle erstreiten können, die noch bis vor zehn Jahren in Nashville undenkbar war und ältere Kollegen (wie Willie Nelson) in die Emigration oder (wie Waylon Jennings) auf die Barrikaden getrieben hatte. Keineswegs „siechte“ Country „traurig vor sich hin“ (wie das Musikblatt Music Express/Sounds kürzlich bemerkte), als ein gewisser Garth Brooks auf der Bildfläche erschien.

Man kann nicht gerade behaupten, daß der Mann wie ein Superstar aussieht. Die berühmte „Warum gerade er“-Frage wird von Insidern gemeinhin mit einem Verweis auf seine Persönlichkeit als Performer beantwortet. Sogar Brooks' Frau Sandy hatte anfangs Mühe, ihren Gemahl vom kräftig gepushten Konkurrenten Clint Black zu unterscheiden, wie der Produzent Jim Rooney in einer (von Brooks selbst weitergereichten) Anekdote amüsiert berichtet: „Garth's erste Single war gerade draußen, als er mit seiner Frau auf dem Heimweg war. Dann kam sein Song im Autoradio, doch Sandy drehte nur wütend am Stationsschalter und meinte: ,Ich bin es einfach leid, immerzu diesen verdammten Clint Black zu hören!‘ Garth schwieg erstmal eine Minute, bevor er sagte: ,Schatz, weißt Du, das war meine Platte.‘“

Vielleicht hält Bob Saporiti Brooks deswegen für einen „sehr guten Kommunikator“. Der Warner-Mann spricht von „Charisma“, von „dieser Magie“ – und meint damit die Identifikation der breiten Masse mit einem leicht übergewichtigen, nicht übermäßig attraktiven „Common Man“ mit leicht manischem Blick. Brooks rede und singe von „realen“ Dingen. Kein Showbiz-Typ, und wenn doch, so Saporiti, „ist er der beste Schauspieler, den ich je gesehen habe“.

Brooks' Produzent Allen Reynolds bemüht dagegen die Geschichte. Im umgekehrten Sinne. „Historisch gesehen“, so der Nashville-Veteran, „standen die Country-Leute immer nur mit der Gitarre auf der Bühne rum und sangen ihre Songs. Garth dagegen gibt dem Publikum eine richtige Show, die er sich auch selbst gern angucken würde.“

Wichtig für Brooks' Aufstieg war sicherlich nicht zuletzt seine geschickte Singles-Auswahl. Mit der humorvollen Underdog-Story „Friends In Low Places“ konnte er wie kein Country-Sänger zuvor bei den Kids in den Vorstädten landen, die dem Rap & Dance-Taumel der Metropolen eher ratlos gegenüberstanden. „Das war“, sagt Jim Rooney, „ein ganz großer Faktor, als es darum ging, sein Publikum über den klassischen Country-Bereich hinaus zu vergrößern.“ Heute lassen gerade die Jüngsten absolut nichts auf ihr Idol kommen. Bestes Beispiel: Als Brooks bekundete, er werde bei der anstehenden Präsidentschaftswahl wohl Enthaltung üben, und darob von einem lokalen Pressekommentator wegen mangelnder Verantwortungsbereitschaft gescholten wurde, hagelte es sogleich Leserbriefe erboster Teenies. Brooks kommt für sie vor den Clintons und Bushs.

Die nächste Single „The Dance“ etablierte ihn auch bei einem reiferen Publikum, nicht zuletzt durch ein spektakuläres Video, das er gegen alle Bedenken seiner Plattenfirma durchsetzte. Es beutet geschickt-vieldeutig US- Mythenträger vom Schlag John F. Kennedys oder Martin Luther Kings aus. Jim Rooney: „Jeder dachte: Na ja, da geht's halt um einen Jungen und sein Mädchen, die tanzen gehen. Doch durch das Video erkannten sie: Hier geht's ums ganze Leben! [...] Heute wird der Song sowohl auf Hochzeiten als auch auf Beerdigungen gespielt. [...] Und genau an diesem Punkt hat Garth Brooks ein anderes Level erreicht – und damit viele Leute, die noch vor drei Jahren nicht im Traum daran dachten, eine Platte von einem Künstler wie ihm zu kaufen.“

Einen weiteren Beweis dafür, daß auch in der Country-Welt von heute der Radiostar von morgen gemacht wird, liefert die Success- Story von Billy Ray Cyrus. Sein „Achy Breaky Heart“ gab es zunächst nur in bewegten Bildern, gemacht für Frauen in den besten Jahren. Der ehemalige Autohändler aus Kentucky wackelte gekonnt mit Hintern und Hüften. Ergebnis: Die weibliche Nachfrage brachte den Video-Song bis zu sechsmal täglich in die Rotation des zum TNN-Imperium gehörigen 24-Stunden-Service CMT („Country Music Television“), der inzwischen sogar seine Pop-Konkurrenz MTV in der Zuschauergunst überrunden konnte. Was machte es da schon, daß „Achy Breaky Heart“ eher eine dumpfe Novelty-Nummer ist? Cyrus' Debütalbum „Some Gave All“ ging mit diesem Vorlauf schnurstracks auf Platz eins der Billboard Charts.

Cyrus wird nicht der letzte sein, der quasi aus dem Nichts auftaucht und (anders als Brooks) vermutlich auch schnell dort wieder verschwindet. Die Zeiten, da ein Künstler sein einmal gefundenes Publikum auf ewig an sich binden konnte, nähern sich selbst in einem Genre ihrem Ende, das lange wie kein zweites von absoluter Loyalität und beispielloser Nähe zwischen Fan und Star geprägt war. „Im Country-Bereich“, klagt „The Dance“-Autor Tony Arata, „geht es heute immer mehr zu wie in der Rock-Welt, wo es heißt: Hier kommt der nächste Superstar! Für die nächsten sechs Monate, bis der nächste an der Reihe ist. Früher konnte man die Namen der Country-Leute einfach so aufzählen – heute kommen jeden Tag neue dazu. Keiner kannte vor vier Jahren Garth Brooks, Alan Jackson oder Travis Tritt. Doch sie bilden jetzt schon das Establishment, hinter dem viele andere warten. Manche werden es schaffen – viele nicht über eine Platte hinauskommen.“

Doch der Country-Boom läßt sich mit einer Annäherung an Rock-Schemata allein nicht erklären. Er hat auch eine gesellschaftspolitische Dimension. Die aus dem täglichen Leben geschöpften Botschaften vieler Country-Songs artikulieren mehr als nur ein nostalgisches Sehnen nach einer vorgeblich „guten, alten Zeit“: Sie bieten Halt und Sicherheit, eine emotionale Zuflucht in einer verwirrenden Epoche, in der die USA innenpolitisch stramm auf ihre größte Krise seit der „great depression“ zusteuern (oder schon mittendrin sind) und außenpolitisch unsicher zwischen militaristischem Führungsanspruch und trotzigem Umwelt-Buhmann lavieren.

Das gilt gerade auch für die Jüngeren. „Die USA sind durch eine sehr konservative Phase gegangen – bei Nixon, sogar bei Carter und ganz besonders unter Reagan und Bush“, kommentiert der angesehene Produzent Barry Beckett, der schon Bob Dylan oder die Dire Straits betreute. „Die Eltern der Kids, die in dieser Zeit groß wurden, zählen oft zur religiös geprägten Moral Majority. Und was haben die Kids aus diesen Familien gehört? Rap? Da gibt es kaum eine Kommunikationsebene. Dance- Acts wie Janet Jackson, die nichts singen, was die Kids berühren könnte? Und die so gut tanzen, daß die Kids das noch nicht mal nachmachen können – wenn sie nicht sechs Jahre üben? Als der Rock 'n' Roll herauskam, konnten die Kids gleich mittanzen und sich damit identifizieren. Rap schafft das allenfalls in den großen Zentren wie L.A., Detroit, New York. Aber das hat nichts mit dem Süden, Mittleren Westen oder sogar dem Nordwesten zu tun. Doch Country schafft es, eine Kommunikation herzustellen – gerade mit den Kids, die in der Ära der Moral Majority groß wurden.“

Man könnte aus Becketts Ausführungen vorschnell schließen, daß der Country-Sänger der Neunziger – frei nach Bob Roberts sozusagen – vorwiegend als reaktionärer Rattenfänger über den Bildschirm flimmert. Doch die Wirklichkeit ist komplexer. Sicher: Ein Garth Brooks schätzt Gott und den Wert der klassischen Klein- Familie – was ihn jedoch nicht davon abhalten konnte, sich öffentlich für die Rechte von Homosexuellen einzusetzen. Kein Fall also für eine nette Vereinnahmung auf der Wahlplattform der Republikaner. Und „Lord Have Mercy On The Working Man“, gesungen vom selbsternannten „Blue Collar“-Sympathisanten Travis Tritt, könnte mit seinem klassenkämpferischen Unterton und der Klasse- Zeile „Oh They're Billing Me for Killing Me“ eher als Wahlkampfhymne der Demokraten durchgehen – auch wenn der stramme Southern Man aus Georgia der Politikerkaste pauschal vorwirft, sie behandle die niederen Ränge des Wahlvolks „wie einen Champignon“.

Entsprechend der musikalischen Öffnung und Weiterentwicklung hat sich auch die Themenwelt im Country den Zeitströmungen angepaßt. Sauf-Hymnen, die das Genre immerhin nicht unwesentlich mitbegründeten und lange prägten, sind heute fast völlig „out“. Neo-Traditionalist John Anderson war kürzlich seit langer Zeit der erste, der sich (in „Straight Tequila Night“) mit diesem Sujet wieder in den Country-Charts plazieren konnte. Ewig populär dürften die Themenkreise „Liebe“ und „Familie“ bleiben. Auch der Stolz auf die eigene, einfache Herkunft erfreut sich ungebrochener Beliebtheit, nicht selten gespickt mit einem scharfzüngigen Seitenhieb auf die „Better Class of Losers“, wie in dem gleichnamigen Song aus der Feder von Randy Travis und Alan Jackson. Textauszug: „Wir brauchen keinen Kaviar, um eine Party zu feiern.“

Und noch etwas kommt hinzu. Paul Overstreet, auch Hitlieferant für Travis, schildert in seinem vielbeachteten Song „Billy Can't Read“ in knapp-präzisen Zeilen das Schicksal eines Analphabeten, dem trotz praktischer Fähigkeiten der berufliche Aufstieg zunächst verwehrt bleiben muß. „Billy Can't Read“ und das dazugehörige Video standen unlängst im Mittelpunkt einer breit angelegten Literarisierungskampagne, die von der mächtigen „Country Music Association“ und von „CMT“ gesponsort wurde. Overstreet verweist stolz auf unzählige Dankesschreiben von lokalen Initiativen, die vor Ort gegen das Analphabetentum kämpfen und vor allem das Video einsetzten, um die Hemmschwelle bei vielen Menschen abzubauen, die gern lesen und schreiben würden, aber sich vielleicht nicht trauen einzugestehen, daß sie es noch nicht können. „Ich hoffe, der Song geht auch in die Country Charts“, erklärt Overstreet. Gerade viele Analphabeten verfügten nicht über Satelliten-Programme und Kabelfernsehen. So bliebe das Radio oft „die einzige Möglichkeit, sie zu erreichen“.

Soziale Verantwortungsbereitschaft (wenn man es denn so nennen will) findet sich schließlich auch im Repertoire von Garth Brooks. Auf seinem aktuellen Album „The Chase“ fordert er gerade sein jüngeres Publikum auf, sich erlittenem Unrecht zu stellen, weil man es nur „Face To Face“ (so der wieder von Tony Arata gelieferte Songtitel) ohne häßliche Narben heilen könne – egal, ob sie von Gewalt auf dem Schulhof (erste Strophe) oder gar einer VergewalFortsetzung nächste Seite

Fortsetzung

tigung (zweite Strophe) herrührten. „Diese Songs“, kommentiert Arata, „erzählen eine Geschichte, die den Leuten Trost und Erleichterung bereitet. Sie reden von Verzweiflung, die jeder schon mal gespürt hat – aber auch von Hoffnung, die jeder irgendwie braucht. Und sie tun dies in einer sehr knappen und zugänglichen Form.“ Das Gros der Country-Songs blendet die Realität der USA in den beginnenden Neunzigern eben nicht aus, um sich in eine heile Welt heucheln zu können. Deshalb hinkt der beliebte Vergleich mit der hiesigen „Volksmusik“-Glückseligkeit nicht nur, er ist schlicht unsinnig.

Überhaupt hat eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Country-Boom in den hiesigen Medien, von seltenen Ausnahmen abgesehen, bisher nicht stattgefunden. Während jedes Nachrichtlein über Michael Jackson oder Madonna selbst den „seriösen“ Blättern immer eine Meldung unter „Vermischtes“ wert ist, wird das, was den US-AmerikanerInnen im Wahljahr wirklich auf der Seele lag, schlichtweg ausgeblendet. Vermutlich, weil es bequeme Vorurteile ins Wanken bringen könnte. Statt dessen spekuliert man im Boulevard-Stil. So verstieg sich der Autor des bereits zitierten Garth-Brooks-Artikels in ME/ Sounds zu der Vermutung, der Künstler habe aus Furcht vor „medialer Überpräsenz flugs ein Töchterchen in die Welt gesetzt“, um dann den „vorübergehenden Rückzug als sympathieträchtige Vater-Romantik verkaufen“ zu können. Dabei kommt so ein Kind doch in den besten Familien vor, selbst in Nashville.

Ricky Skaggs: „Waitin' For The Sun To Shine“. (Epic, 1981).

The Judds: „Why Not Me“. (RCA/Aris 1984).

George Strait: „Ocean Front Property“. (MCA/Aris 1987).

Lyle Lovett: „Pontiac“. (Curb Rec., 1987).

Steve Earle: „Guitar Town“. (MCA 1986).

Nanci Griffith: „Little Love Affairs“. (MCA, 1987).

Randy Travis: „Old 8*10“. (WB/ WEA, 1988).

Alan Jackson: „Don't Rock The Jukebox“. (Arista/BMG 1991).

Garth Brooks: „No Fences“. (Capitol/EMI, 1991, dt. Version).

Garth Brooks: „The Chase“. (Liberty/EMI 1992).

Travis Tritt: „T-r-o-u-b-l-e“. (WB/ WEA, 1992).

Kevin Welch & The Overtones: „Western Beat“. (WB/TIS, 1992).

Mark Collie: „Born And Raised In Black And White“. (MCA/Aris, 1991).

Trisha Yearwood: „Hearts in Armor“. (MCA/Aris, 1992).

Billy Ray Cyrus: „Some Gave All“. (Mercury/Phonogram, 1992).

Clint Black: „The Hard Way“. (MBMG, 1992).

John Anderson: „Seminole Wind“. (BMG/ARIS, 1992).