: Rostock tut Buße
■ Innenstadtrat, der Ignatz Bubis als Israeli angesprochen hatte, zurückgetreten Die Stadtoberen distanzieren sich
Der Rostocker Innenstadtrat Karlheinz Schmidt (CDU) ist noch am Montag abend nach einer Fraktionssitzung seiner Partei von seinem Amt zurückgetreten. Schmidt legte auch sein Mandat als Abgeordneter der Bürgerschaft nieder. Der CDU-Politiker hatte den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis, am Montag mittag mit der Bemerkung brüskiert: „Ihre Heimat ist doch Israel. Ist das richtig so?“ Danach hatten neben dem Zentralratsmitglied Michel Friedman unter anderem der Rostocker Oberbürgermeister Klaus Kilimann, der Präsident der Bürgerschaft, Christoph Kleemann, und Wolfgang Thierse (SPD) den Rücktritt von Karlheinz Schmidt gefordert.
Kilimann sagte gestern: „Leute mit solchen Anschauungen gehören nicht in die politische Verantwortung in einer Demokratie.“ Gleichzeitig bat er die jüdischen Mitbürger um Verzeihung. Rostock lege Wert darauf, daß in der Hansestadt wieder jüdisches Leben im Rahmen einer jüdischen Gemeinde wachse und gedeihe. Die Bedingungen dafür wolle die Stadt schaffen.
Bereits am Montag nachmittag hatten sich die führenden Rostocker CDU-Politiker getroffen, um darüber zu beraten, wie man den entstandenen Schaden begrenzen könne. Nach einer Fraktionssitzung der CDU trat Fraktionschef Martin Schmidt am Abend dann vor die Presse, um den Rücktritt seines Parteikollegen bekanntzugeben. Er teilte mit, Karlheinz Schmidt bedauere seine „mißverständliche Frage“. Da sich Worte aber nicht zurückholen ließen, ziehe er die Konsequenzen. Gleichzeitig entschuldigte sich Karlheinz Schmidt in einer schriftlichen Erklärung bei Bubis. Die Frage sei „nicht so gemeint gewesen, wie sie gestellt und verstanden worden war“.
Scharfe Kritik an den Äußerungen übte vor allem Wolfgang Thierse (SPD). Aus der Frage spreche „der Ungeist der Rostocker Gewalttaten, bei denen die Verantwortlichen in Mecklenburg-Vorpommern nicht gerade durch entschiedenes und verantwortungsbewußtes Handeln hervorgetreten sind“.
Ignatz Bubis selbst äußerte sich gestern gegenüber dem Hessischen Rundfunk zu dem Vorfall. Die Entgleisung von Rostock sei kein Einzelfall. Der Ungeist des Rassismus sei keine besondere Rostocker Angelegenheit. „Viele Menschen denken so. Manche schreiben es, manche sagen es, manche drücken es nicht aus, aber denken genauso.“ Die Demokratie sei in ihrem Bestand in Deutschland noch nicht bedroht, sagte Bubis. Es sei aber gefährlich, in welcher Form gegenwärtig mit dem Grundgesetz Politik gemacht werde. Bubis ist ein entschiedener Gegner der Abschaffung oder Verwässerung des Asylrechts in Deutschland.
Vor allem der Rostocker Oberbürgermeister Kilimann war von den Äußerungen des Innenausschußvorsitzenden Schmidt peinlich berührt. Durch die „bedauerliche Entgleisung“ werde der Versuch zunichte gemacht, Rostock wieder zu einem „positiven Image“ zu verhelfen. Bubis war am Montag einer Einladung des Rostocker Senats und der Bürgerschaft gefolgt.
Mit der Einladung wollten die Oberen der Stadt den Eindruck entkräften, Rostock sei eine antisemitische Stadt. Sie luden den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden ein, nachdem es vor zwei Wochen zu einem Eklat während einer Aktion von Serge und Beate Klarsfeld gekommen war. Damals waren drei französische Juden verhaftet worden.
Bürgerschaftspräsident Kleemann äußerte die Hoffnung, daß mit dem Rücktritt Schmidts dessen „Fehlleistung geahndet“ sei. Er glaube dem Abgeordneten, daß dieser seine Äußerung „tief bedauert“ und selbst für „unbedacht“ und „mißverstanden“ hält. Zugleich übte sich Kleemann in Presseschelte: Die Berichte über den Besuch von Bubis seien „einseitig“ gewesen. Es könne nicht hingenommen werden, daß Rostock durch „verzerrte Darstellungen der Medien“ zum „Sündenbock der Nation“ gestempelt werde. ccm
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen