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Tram-Nachtlinien weiter auf dem Abstellgleis

■ Zum nächsten Fahrplanwechsel Ersatz von Nachttrams durch Busse und Taxen

Berlin. Im Ostteil der Stadt werden demnächst nachts wesentlich weniger Straßenbahnen rollen. Ein neues Nachtlinienkonzept der BVG sieht die Einstellung von sieben der elf vorhandenen Tram- Nachtlinien zugunsten von Omnibussen, Kleinbussen und Taxen vor. Die Umsetzung des bereits in einer Arbeitsgruppe im Grundsatz mit dem BVG-Gesamtpersonalrat abgestimmten Konzepts soll zum nächsten Fahrplanwechsel am 31.Mai 1993 erfolgen. Nach den Plänen sollen vom Sommer 1993 an nachts nur noch vier teilweise in ihrer Streckenführung veränderte Straßenbahn-Hauptlinien die Innenstadt im attraktiven Takt direkt mit den östlichen Außenbezirken verbinden – vorwiegend ab dem Hackeschen Markt in Richtung Westen.

Zunächst habe die BVG sogar nur noch zwei Straßenbahn-Nachtlinien in Richtung Marzahn und Hohenschönhausen eingeplant, was man allerdings abgelehnt hätte, so Personalratsmitglied Stefan Christian. Wie Christian sagte, stand der Verkehrsbetrieb bei der Neukonzeption des Nachtliniennetzes vor dem Dilemma, daß immer noch keine Tramstrecken des Ostnetzes in den Westteil verlängert sind. Deshalb sollen zum Sommer nächsten Jahres wenigstens weitere Buslinien aus West und Ost am Hackeschen Markt zentral miteinander verknüpft werden. Vorgesehen sei, daß die als Tramersatz neugeschaffenen Buslinien bis Kaulsdorf beziehungsweise in Richtung Köpenick fahren. Ob überhaupt die Umsteigekapazitäten am Hackeschen Markt vorhanden seien, müßten die Planer noch überprüfen.

Das jetzige Nachtliniennetz der Tram ist der BVG angesichts schwindender Fahrgastnachfrage zu kostenträchtig, obwohl seit längerem nur Solowagen eingesetzt sind. Vor allem im Südosten Berlins sowie im Nordosten der Stadt ergaben Verkehrszählungen einen stark verringerten Fahrgastzuspruch. Plausible Erklärung: Die dortigen Industriebetriebe haben größtenteils dichtgemacht. Bei den Zählungen stellte sich zugleich heraus, daß hauptsächlich an den Wochenenden viele Fahrgäste aus dem Nord- und Südosten in den Westteil der Stadt und wieder zurück wollen. Sie sollen statt per Tram zum BVG-Tarif mit Kleinbussen und Taxen sogar bis vor die Haustür gebracht werden.

Ebenso wie die BVG-Geschäftsleitung beurteilt der Personalrat gerade diesen Konzeptbaustein als Verbesserung für die Fahrgäste. Selbst beim Fahrgastverband IGEB, der sonst vehement für die Straßenbahn kämpft, stoßen die Umstellungspläne auf Wohlwollen. Möglicherweise könnten Busse Wohngebiete in den Außenbezirken flächenmäßig besser erschließen. Straßenbahnen hätten wegen des Stops an jeder Haltestelle nachts zum Teil unnötig lange Fahrzeiten, erklärte IGEB-Tramexperte Matthias Horth. Thomas Knauf

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