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Vorfahrt für die Schiene nur im SPD-Programm

■ Der schleswig-holsteinische Verkehrsminister Uwe Thomas (SPD) zum Bundesverkehrswegeplan/ Die Ostseeautobahn A20 ist „ganz unausweichlich“

In diesem Herbst entscheiden Bundestag und Bundesrat über den Fernstraßenbedarf im Bundesverkehrswegeplan. Der Plan legt die Prioritäten für neue Autobahnen, Schienenstrecken und Wasserstraßen fest. Kritiker werfen der Bonner Regierung vor, daß der Entwurf dem energie- und landschaftsfressenden Verkehrswachstum Vorschub leiste. Besonders umstritten ist die Ostseeküsten–Autobahn A20 durch Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.

taz: Sie haben ein Gutachten über die sogenannte Ostseeautobahn A20 bei dem ehemaligen Hamburger Umweltsenator Jörg Kuhbier in Auftrag gegeben. Das Ergebnis ist vernichtend. Trotzdem halten Sie an der A20 fest.

Uwe Thomas: Ich habe Herrn Kuhbier nicht mit einem Gutachten, sondern als Moderator beauftragt. Er sollte vor Ort Gespräche mit Gegnern und Befürwortern der A20 führen und die wesentlichen Argumente aufzeichnen. Das Mißverständnis ist wohl dadurch entstanden, daß Herr Kuhbier in seiner Moderatorfunktion stark mit den Gegnern der Autobahn zu tun hatte und über seinen Auftrag hinausgehend eine persönliche Bewertung zu seinem Bericht vorgenommen hat.

Kuhbier kommt zu dem Schluß, daß die Bürgerinitiativen wesentlich besser informiert sind als die Leute, die das Projekt von offizieller Seite zu beurteilen haben.

Ich halte diese Bewertung für sehr problematisch. Ich hätte es auch für problematisch gehalten, wenn Herr Kuhbier gesagt hätte, die Vorstellungen der Landesregierung sind das Gelbe vom Ei — dadurch würde man das Ziel, das man mit einem Moderator erreichen will, nämlich daß er als neutral akzeptiert wird, auf den Kopf stellen.

Wenn am Ende des Prozesses die Autobahn entweder gebaut wird oder nicht — da gibt es doch nichts mehr zu moderieren.

Sie wissen doch, wie das geht: mit einer Fülle von Gutachten werden die verschiedenen Varianten, einschließlich der Nullvariante geprüft. Im Planfeststellungsverfahren wird dann abgewogen.

Kommt der Antrag, die A20 in den Bundesverkehrswegeplan aufzunehmen, eigentlich von Schleswig-Holstein oder aus Bonn?

Wir sind uns in diesem Fall mit dem Bund völlig einig, daß die A20 in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen werden muß. Ich halte die A20 für ganz unausweichlich.

Herr Kuhbier, aber auch die Bundesanstalt für Landeskunde und Raumordnung prognostizieren, daß die A20 Arbeitsplätze aus Mecklenburg absaugt.

Ich halte das für höchst unwahrscheinlich. Ein Unternehmer — und der entscheidet über Investitionen und die damit verbundenen Arbeitsplätze — wird sicherlich sagen: Wenn es keine vernünftige Anbindung gibt, wird das nichts mit den Investitionen. Und das ist die entscheidendere Auskunft.

Gut ausgebildete Arbeitnehmer werden aber auf der A20 aus Mecklenburg nach Hamburg und Lübeck pendeln.

Ich teile diese Meinung nicht. Wenn diese Autobahn fertig ist, werden die Investitionsvorteile in den neuen Ländern Wirkung gezeigt haben. Eine gewisse Industriealisierung wird dann wieder entstanden sein.

Ist Ihre Unterstützung der A20 nicht Symbol alter Verkehrspolitik: noch mehr Autobahnen und eine Vernachlässigung der Bahn?

Nein, im Gegenteil. Ich werd' in diesem Jahr noch ein Konzept rausbringen, wie sich die Landesregierung bis 2010 ein Schienennetz in Schleswig-Holstein vorstellt. Das Verkehrskonzept sieht vor, alle Güterverkehre über 300 Kilometern auf die Schiene zu bringen.

Wie hoch werden nach dem Bundesverkehrswegeplan in ihrem Land die Investitionen in die Schiene und in den Straßebau sein?

Unsere Forderungen haben etwa ein Verhältnis von eins zu eins.

Aber wenn auf Ihrem Wunschzettel etwa ein Verhältnis von 50 zu 50 Prozent stand — dann können Sie doch nicht von einer Bevorzugung der Schiene sprechen.

Nein, da haben Sie recht. Sie müssen aber sehen: ein großer Teil der Projekte, die wir im Bundesverkehrswegeplan haben, sind schlicht und einfach Ortsumgehungen. Ich hab' hier jede Woche Bürger in meinem Büro sitzen, die mich fragen: Wann kommt endlich unsere Ortsumgehung. Wir saufen ab im Verkehr. Unsere Kinder können sich nicht mehr auf die Straße trauen. Der Lärm der Laster und der PKW ist unerträglich.

Die Bundes-SPD setzt in ihrem Programm auf Verkehrsvermeidung. Neue Straßen produzieren aber doch neuen Verkehr.

Verkehrsvermeidung. Das wird zunächst aber nur dazu führen, daß die Wachstumsraten niedriger werden. Weniger Verkehr, eine solche Entwicklung wird nicht vor dem Jahr 2005 passieren, wenn man realistisch ist.

Warum sind Sie mit dem Flugzeug und nicht mit der Bahn zur letzten Verkehrsministerkonferenz nach Dortmund gereist?

Weil ich es sonst zeitlich nicht geschafft hätte. Eines der größten Versäumnisse der deutschen Verkehrspolitik, auch der sozialliberalen Koalition, war, daß wir uns nicht in den 70er Jahren entschlossen haben, schnelle Eisenbahnlinien wie die Franzosen zu bauen, sondern erst 15 Jahre später mit dem ICE angefangen haben. Interview: Annette Jensen

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