: Auspuffrohre blasen Töpfer ins Gesicht
Prognos-Institut sagt Zunahme des Kohlendioxidausstoßes um 38 Prozent bis 2005 voraus/ Klimapolitik der Bundesregierung nur Lippenbekenntnis und ökonomisch kurzsichtig ■ Von Annette Jensen
Berlin (taz) – Die deutschen Autos werden im Jahr 2005 rund 38 Prozent mehr Kohlendioxid in die Luft blasen als 1987. So sagen es die Experten vom Basler Prognos-Institut voraus, die eine Studie im Auftrag des Bonner Verkehrsministeriums erstellt haben. „Zwischen dem Lippenbekenntnis der Bundesregierung, die CO2- Emissionen um 20 bis 30 Prozent zu senken, und dem faktischen Handeln klafft eine Lücke“, konstatiert der Leiter des Fachbereichs Verkehr, Stefan Rommerskirchen, gegenüber der taz.
Basis der Forschung ist das sogenannte Szenario H, das Krauses Ministerialen im Sommer 1991 als Grundlage für den Bundesverkehrswegeplan aufstellten. Darin wird „auf gezielte Maßnahmen zur Reduktion von Straßen- und Luftverkehr verzichtet“. Lediglich höhere Nutzerkosten und teurere Parkplätze in den Städten sollen das Verkehrswachstum etwas abbremsen.
„Wir haben in unseren Berechnungen die absehbare technische Entwicklung bereits mit einbezogen“, so Rommerskirchen. Aber geringerer Benzinverbrauch und bessere Filter reichten nicht aus, zumal die Vorliebe der Deutschen für immer dickere Autos nach wie vor ungebrochen sei. So prognostizieren die Basler Experten, daß drei Viertel der Kohlendioxidemissionen aus PKW-Auspuffrohren kommt, während die Laster nur mit einem Viertel für den CO2- Ausstoß im Verkehrsbereich verantwortlich sind.
„Der Verkehr ist zu billig. Und er geht auf Kosten unserer Mitmenschen in der Dritten Welt und unserer Nachkommen“, so das Fazit des Forschers. Seinen Auftraggebern in Bonn wirft er unverantwortliche Ignoranz vor: „Kurzfristiges Wirtschaftswachstum wird höher eingeschätzt als langfristökonomische, und das sind ökologische, Ziele.“
Die anderen beiden Hauptverursacher von Kohlendioxid, nämlich die privaten Haushalte und die Industrie, werden ihre Emissionen um 15 bis 20 Prozent senken, glaubt Rommerskirchen. „Weil aber im Verkehrssektor die Hausaufgaben überhaupt nicht gemacht werden, wird die Reduktion aller drei Bereiche zusammen weniger als 10 Prozent betragen.“
Bundesumweltminister Klaus Töpfer mochte trotzdem auch diese Woche nicht darauf verzichten, die Gebetsmühle über die Vorreiterrolle Deutschlands bei der CO2-Reduktion zu drehen. Anlaß war die Zuleitung des Vertragsgesetzes über Klimaänderungen an die Bundestagsabgeordneten. Darin soll die Vereinbarung vom UNO-Umweltgipfel in Rio, die Kohlendioxidemissionen auf dem Niveau von 1990 zu begrenzen, festgeschrieben werden. Das butterweiche Übereinkommen krankt vor allem daran, daß darin keine Fristen festgelegt sind. Töpfer versuchte am Mittwoch wieder, sich als vehementer CO2-Reduktionsminister zu profilieren: mit der Vorlage des Vertragstextes habe das Kabinett dem Bundestag Gelegenheit gegeben, als eines der ersten Parlamente der Welt die Klimakonvention in nationales Recht umzusetzen.
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