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Keine Wertung für Vernunft

■ Hamburger Geschwister Jörgens sind neue Tanz-Weltmeister der Profis

sind neue Tanz-Weltmeister der Profis

Laut Schopenhauer ist Tanzen „die sinnlose Vergeudung überschüssiger Energie“ (in: Parerga und Paralipomena) und als solche sozusagen das diametrale Gegenteil aller Vernunft. Wie so vieles, was Lustgefühl und Geld einbringt, blieb die taktvolle Verrenkung in Plüsch und Frack dem Nörgler der Nation ein Beispiel für die Armseligkeit des menschlichen Daseins. Das Geschwisterpaar Jens Jörgens und Kerstin Jörgens-Neubert aber kennt keinen Schopenhauer. Zumindest kann er keinen großen Eindruck auf sie gemacht haben, denn die beiden Zugereisten sind jetzt erstmals Kür-Weltmeister der Professionals in den Standardtänzen geworden. Vor rund 8000 Zuschauern siegten die Meister zweier Deutschlands in Berlin am späten Samstag abend vor den deutschen Vize-Meistern Norman und Dagmar Beck (Ludwigsburg) und Gena Gunko/Alla Chebotareva (GUS).

Die ehemaligen Leipziger, die in Broiler-Deutschland bereits zehnmal Dreh- und Kreiselmeister waren, bevor sie in Hamburg als Tanzlehrer seßhaft wurden, beeindruckten mit ihrer dreiminütigen freien Interpretation der „Gespielten Hochzeit“ aus der Westside Story von Leonhard Bernstein. Von den sieben Preisrichtern aus Thailand, Italien, Finnland, Rußland, Japan, Niederlande und Deutschland setzten fünf das Paar auf Platz eins. Bewertet werden bei Kürtanz- Wettbewerben Takt, Rhythmus, Bewegungsablauf und tänzerischer Eindruck sowie Themenwahl und Abstimmung von Musik, Kostüm und Choreographie, aber keine Vernunft. Was man in den Beinen hat, muß man ja vielleicht auch nicht unbedingt im Kopf haben. tlb

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