: "Flächen kaufen und auf Vorrat planen"
■ Senatorin Traute Müller und Oberbaudirektor Egbert Kossak über offensive Stadtplanung und bessere Bürgerbeteiligung
und Oberbaudirektor Egbert Kossak über offensive Stadtplanung und bessere Bürgerbeteiligung
Zwei Tage lang diskutierten in Hamburg am Wochenende auf Einladung der Stadtentwicklungsbehörde (Steb) und der TU-Harburg 400 Stadtplaner aus Wien, Berlin, Barcelona, Madrid, Rotterdam und Hamburg über „Strategien der Stadtentwicklung in europäischen Metropolen“. Kernpunkt der Tagung: Wie reagieren die Großstädte auf Bevölkerungswachstum und Wohnungsnot bei immer knapper werdenden Flächen und immer größeren ökologischen Problemen. taz-Redakteur Marco Carini befragte Steb-Senatorin Traute Müller und Oberbaudirektor Egbert Kossak dazu.
taz: Was konnte die Steb aus der Tagung für die Hamburger Stadtplanung lernen?
Kossak: Der hohe Wert systematischer Stadtentwicklung ist deutlich geworden. Unser Ziel muß eine
1kontinuierliche Vorsorgepolitik im Wohnungsbau sein, um von solchen Zuzugswellen wie wir sie heute haben, nicht überrumpelt zu werden. Das heißt: Frühzeitig auf Vorrat planen. Die Politiker müssen hier lernen, über die Legislaturperiode hinaus zu denken. Gleichzeitig müssen wir ein Instrumentarium entwickeln, mit dem wir schneller auf Versorgungsengpässe reagieren können.
Müller: Wir können auch ganz konkrete Dinge aus anderen Städten lernen. Wien betreibt eine offensive Boden-Ankaufspolitik. Dort kauft man in großem Maßstab private Flächen für den sozialen Wohnungsbau. Die innere Verdichtung der Stadt als Gegenkonzept zum ökologisch bedenklichen Bauen auf der grünen Wiese ist in Wien und Berlin längst politisches Leitbild, in Hamburg aber noch nicht konsensfähig. Außerdem gibt es dort weitgehende Modelle der Bürgerbeteiligung bei Stadtentwicklungsprojekten.
taz: Wo soll Hamburg noch private Flächen aufkaufen?
Kossak: Es gibt noch genügend private Flächen in der Stadt, die für eine offensive Ankaufspolitik infrage kommen. Ich denke dabei vor allem an den Harburger und Wilhelmsburger Raum.
taz: Stichwort Bürgerbeteiligung: Wie lassen sich eine Verkürzung der Planungszeiten und eine Ausweitung der Mitspracherechte für die Anwohner miteinander vereinbaren?
Müller: Daß die Bebauungsplanverfahren so lange dauern, liegt an den komplizierten, bürokratischen Verfahren zwischen den verantwortlichen Behörden. Hier brauchen wir effizientere Verfahren mit kürzeren Fristen für die Stellungnahmen der Ämter.
taz: Die betroffenen Anwohner werden heute erst beteiligt, wenn die Behörden sich langwierig geeinigt haben und dann kaum noch etwas zu ändern ist.
Müller: Wir wollen eine frühzeitigere Beteiligung aller Betroffenen. Ein erster Schritt ist, daß wir unser Wohnungsbau-Sofortprogramm gemeinsam mit den bezirklichen Gremien entwickelt haben - wenn auch noch ohne eine frühe Bürgerbeteiligung. Die Einrichtung von Stadtteilkonferenzen wie es in Dulsberg, Jenfeld und St. Georg bereits geschieht, ist der nächste Schritt auf diesem Weg.
Kossak: Das Maß einer Anwohnerbeteiligung muß aber variieren. Dort, wo wir in bestehenden Stadtteilen bauen, muß es höher sein, wo wir auf der grünen Wiese bauen, natürlich geringer.
taz: Die Berliner Erfahrungen zeigen, daß Stadtteilkonferenzen nur dann funktionieren, wenn sie auch mitentscheiden können.
Müller: Die Entscheidungen müssen der Senat und die Bezirke fällen. Stadtteilkonferenzen können nur Vorschläge machen, die Entscheidungsgrundlage verbessern. Denn auch hier sitzen nur die Initiativen und Organisationen der betroffenen Gebiete, die für den Stadtteil nicht unbedingt repräsentativ sind.
Kossak: Das Problem bei solchen Bürgerforen ist, daß hier nur die professionellen Bürger, die sich politisch artikulieren, mit am Tisch sitzen. Die Habenichtse lassen sich nicht organisieren. Wir dürfen nicht nur die Interessen der Bürger berücksichtigen, die ihr Grün im Stadtteil erhalten wollen und die neuen Wohnungsbau und Asylantenunterkünfte vor ihrer Haustür ablehnen. Wir müssen auch die Interessen der Wohnungslosen und der Flüchtlinge berücksichtigen, die zukünftig in dieses Viertel sollen.
taz: Der billige Wohnraum wird derzeit durch die Umwandlungswelle verknappt, die Mietwohnungen in großem Maßstab zu vernichten droht. Die Stadt könnte in den betroffenen Gebieten soziale Erhaltenssatzungen aussprechen. Die könnte die Umwandlungen zumindest erschweren. Die Steb aber nähert sich diesem Instrument nur zögerlich.
Müller: Wir sind nicht zögerlich. Wir müssen erst wissen, in welchen Gebieten Erhaltenssatzungen welche Erfolge versprechen. Denn dieses Instrument hat Grenzen, es kann Umwandlungen letztlich nicht verhindern. Wir haben uns mit den Erfahrungen aus Nürnberg, München und Köln auseinandergesetzt. Dort gibt es konkrete Erfahrungen mit diesem Instrument. Hier zeigt sich, daß Erhaltenssatzungen in intakten Stadtgebieten erfolgreich eingesetzt werden können. Jetzt muß die Baubehörde uns Quartiere nennen, die besonders von der Umwandlung bedroht sind und in denen wir Erhaltenssatzungen aussprechen können. Doch diese Vier-
1tel können keine ganzen Bezirke sein, sondern nur räumlich eng begrenzte Zonen.
taz: Frau Müller, während Sie eifrig planen, wird wieder über ihren Senatsposten und über den Sinn einer Stadtentwicklungsbehörde in Hamburg diskutiert.
Müller: Es gibt ständig Leute, die mich und meine Behörde in frage stellen. Würde ich mich davon noch beeindrucken lassen, hätte ich kaum noch Zeit, mich um meine eigentlichen Aufgaben zu kümmern.
Kossak: Dieser Kongreß hat gezeigt, welche verheerenden Auswirkungen es haben kann, wenn die Gestaltung einer Metropole politisch nicht gesteuert wird. Wer sich vor diesem Hintergrund Gedanken darüber macht, ob wir die Steb und Traute Müller brauchen, hat von den Problemen der Stadt nichts begriffen.
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