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Götz der Beste

■ Götz Schoppe, Spastiker, erobert mit Händen und Füßen die Welt hinter dem Bildschirm / Die Bremer Computerkids, 4. Folge

Es kracht nicht schlecht, wenn Götz Schoppe* Schlittschuh läuft; aber die Tastatur hält's aus, und der Joystick, den er mit den nackten Füßen bedient, ist ein extra robustes Modell. Götz, 22 Jahre alt, spastisch gelähmt, ist für jedes Computerspiel zu haben; da zieht er stundenlang seine Kreise über die Eisbahn und klickt Flipperkugeln über den Schirm und kämpft gegen kleine grüne Monster und immer zugleich um die

Dabei kann er kaum lesen. Der Kopf hält selten still.

Kontrolle über seine Hände; und es ist ihm, wie es scheint, all das ein großes Vergnügen.

Nur allzu rasant darf's nicht laufen: Götz Schoppe bevorzugt die einfachen Public-Domain- Spiele und spielt sie am liebsten unter Windows, wo sie noch zehnmal langsamer laufen: Dann sind sie ihm gerade recht. Mit dem Rest kommt er früher oder später schon klar; ein kleines spezielles Programm hilft ihm, mit der Tastatur umzugehen: Weil er nicht, wie es oft nötig wäre, drei Tasten zugleich drücken kann, ermöglicht ihm Access-DOS den etwas despektierlich sogenannten „Affengriff“ über drei Tasten nacheinander. Und siehe, der Computer folgt ihm, der sich andern nur mühsam mitteilen kann, aufs Wort.

Zu Osterholz, wo er wohnt, hat er zusammen mit seinem Vater ein eignes Computerzimmer, worin sich Bücher stapeln und Disketten; dort sitzt er manchmal Tage und noch öfter Wochen über neuen Spielen und neuen Programmen und kriegt sie am Ende doch zum Laufen: „Abends, wenn ich nach Hause komme, zeigt er mir dann, wie's geht“, sagt Hans Schoppe*, sein Vater und Pressesprecher. „Vor zwei Jahren, als grad der erste PC ins Haus gekommen war, da machte ich verzweifelt mit einem Problem in Works rum, und plötzlich sagt mir Götz auf seine freundschaftliche Art: Du mußt das erst markieren, du Idiot!“

Dabei kann Schoppe der Jüngere gar nicht richtig lesen. Der Kopf hält selten still. Auf Handbücher und andere Hilfen, sofern sie schriftlich sind, muß er also verzichten. Da trifft es sich gut, daß er zäh geworden ist im Lauf seines Lebens: „Götz fummelt sich das alles alleine raus“, sagt sein Vater, „aber sobald er's

Hier verwandeln sich alle Eingaben in WohlgefallenFoto: Katja Heddinga

mal kann, läßt er's bleiben.“

Und ringt sogleich um den nächsten Sieg: Der Computer ist ja noch geduldiger als er und kennt kein Murren. Und wenn Götz schließlich die richtige Taste trifft, gehorcht, wie von Zauberhand befehligt, der Bild

hierhin bitte

den hellen Computer

im dunklen Raum

schirm ohne einen Mucks.

Götz Schoppe hat schon härtere Zeiten erlebt. In der Sonderschule für Körperbehinderte schlug er sich noch mit einer elektrischen Schreibmaschine herum: „Da stand jeder Fehler gleich auf dem Papier“, sagt er,

„es war zum Verzweifeln“. Dafür hatte er wenigstens eine extra große Tastatur, die er notfalls, wenn die Hände gar nicht mehr wollten, mit den Füßen bedienen konnte; als aber vor drei Jahren die ersten PCs in der Behindertenarbeit ausprobiert wurden, waren geeignete Spezialtastaturen nicht zu kriegen, und Schoppe mußte sich wieder ziemlich quälen. „Götz war bei uns der erste, der überhaupt mit diesen Computern angefangen hat“, erzählt Wolfgang Breul, sein damaliger Lehrer.

Jetzt, da er endlich auch die normale Tastatur beherrscht, betreibt sogar schon eine kleine Firma den Bau von Eingabegeräten eigens für Behinderte: die Igel-GmbH in Hastedt. Sie hat Großtastaturen im Sortiment und besonders winzige für Einhänder; selbst Menschen mit Muskelschwund, die vom Tastendrücken schnell entkräftet wären, finden eine Lösung: ein kleine, halbkreisförmige Eingabetafel mit Mulden, die per Magnetstift berührungsfrei anzuwählen sind.

Nun tut sich also gar an den bremischen Schulen ein Geringes: Die Behörde richtet gerade eine „Verbundstelle“ ein, die die Arbeit mit Computern an Sonderschulen koordinieren soll. Noch fehlt es an Geräten, sagt Wolfgang Breul von der Körperbehindertenschule Bremen- Nord. „Wir brauchen eine Grundausstattung, also große Monitore und vor allem viele verschiedene Eingabehilfen für all die speziellen Behinderungen“. Zum Beispiel die Minitastatur mit Mundstäbchen für den mit der Glasknochenkrankheit, und für den extremen Spastiker, dem überhaupt keine Tastatur mehr hülfe, einen Joystick, der nicht gleich abreißt.

„Wenn ein dermaßen pfiffiger Kopf wie Götz früher die richtigen Geräte gekriegt hätte“, sagt Breul, „dann wäre er mit Lesen und Schreiben viel weiter, als er heute ist.“

Götz Schoppe indes, wenn ihn von seinen vielen Spielen grad gar keins reizt, fertigt gerne seinen Namenszug in großen schönen Schriften; oder er werkelt an schicken Grafiken herum und erzeugt Abkömmlinge in zahllosen Varianten.

Sein Gesellenstück zeigt am Himmel einen bunten Heißluftballon, bedruckt mit dem riesigen Wahlspruch: „Götz, der Beste für Bremen“. Manfred Dworschak

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