: Gegen Heuchelei, für Asylrecht
■ Schon am Samstag gingen in vielen Städten Zehntausende Menschen gegen Fremdenfeindlichkeit, Gewalt und staatliche „Heuchelei“ auf die Straße
Berlin (taz/ap/dpa) – Schon einen Tag vor der gestrigen, in Randale ausartenden Großkundgebung gegen Ausländerfeindlichkeit in Berlin gab es bereits in vielen Städten Demonstrationen gegen Fremdenfeindlichkeit, die durchweg friedlich verliefen. Allein in der Stuttgarter Innenstadt gingen rund 40.000 Menschen für den Erhalt des Asylrechts auf die Straße. Der baden-württembergische DGB-Vorsitzende Siegfried Pommerenke, Mitinitiator der Demo, lehnte jede Einschränkung des Grundrechts auf Asyl ab, das er als „unverzichtbares Menschenrecht“ bezeichnete.
An die Adresse des Bundeskanzlers gerichtet, sagte der DGB-Landeschef: „Wir haben keinen Staatsnotstand. Der Notstand liegt bei der Bundesregierung, die unfähig ist, die Wiedervereinigung sozial zu gestalten und die Lasten gerecht zu verteilen.“
Auf einer Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht im Jahr 1938 rief der frühere SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel am Samstag in der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau zu Widerstand gegen den Rechtsradikalismus auf. Schon einmal habe das Unheil in Deutschland damit begonnen, daß Menschen zu Objekten des Hasses gemacht wurden. Eine Lehre aus jener Zeit laute, daß man den Rechtsradikalismus nicht durch Nachgiebigkeit bekämpfen könne. Vielmehr müsse Widerstand geleistet werden.
Auf einer Demonstration in Kassel, an der rund 7.000 Menschen teilnahmen, bezeichnete Beate Klarsfeld die Berliner Demonstration mit dem Bundeskanzler als „Heuchelei“. In Hannover demonstrierten rund 15.000 Menschen gegen Rassismus, Sozialabbau und für den Erhalt der Tarifautonomie. In Darmstadt protestierten 1.000 Menschen gegen Ausländerfeindlichkeit unter dem Motto: „Irgendwo sind wir alle Ausländer“. In Frankfurt am Main gab es einen Schweigemarsch gegen Ausländerfeindlichkeit und Gewalt, initiiert von den Kreisverbänden der SPD, FDP und CDU.
Rechter Aufmarsch verhindert
Die Polizei hat am Samstag einen verbotenen Aufmarsch von Rechtsradikalen, zu dem die rechtsextreme „Deutsche Alternative“ aufgerufen hatte, in Frankfurt/Oder verhindert. 33 Personen wurden vorläufig festgenommen, gegen 26 laufen Ermittlungsverfahren wegen Tragens von nationalsozialistischen Abzeichen, Verstöße gegen das Waffen- sowie das Versammlungsgesetz. Die Festgenommenen hatten Schreckschußwaffen, Munition und Baseballschläger, Messer und mit Hakenkreuzen bedruckte T-Shirts dabei.
Bei einer Demonstration in Erfurt gegen Rassismus und Neofaschismus kam es am Samstag abend zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen etwa 50 Autonomen und rund 20 Rechtsradikalen. Als Steine flogen, schritt die Polizei ein. Niemand wurde verletzt und der Mahngang zur jüdischen Synagoge verlief ohne weitere Zwischenfälle.
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